Jeder Investor hat sich schon einmal gefragt, ob sich wohl gerade eine spekulative Blase bildet, wann die Blase wohl platzt und was mit dem eigenen Portfolio dann passiert. Im Rückspiegel lassen sich Blasen leicht bestimmen: Die Internetblase der 1990er, die schliesslich im Jahre 2000 platzte, oder die Hypotheken- und Bankenblase 2008/2009. Wenn man in der Geschichte weiter zurückgeht, fällt einem sicherlich der Crash von 1929 ein oder die alte Geschichte der “Tulpenmanie” im 17. Jahrhundert.
Doch wie einfach oder schwer ist aus einer Echtzeitperspektive zu bestimmen, wo sich gerade eine Blase bildet oder wo vielleicht sogar die unmittelbare Gefahr einer harten Landung besteht? Die amerikanische Investmentberatungsfirma Research Affiliates hat dazu kürzlich ein interessantes Paper veröffentlicht, das klare Definitionen von “Blase” und “Anti-Blase” gibt. Darüber hinaus zeigen die Autoren, wo sie derzeit Blasen aber auch Anti-Blasen im Anlageuniversum erkennen. Sie definieren eine Blase anhand von zwei Merkmalen:
Ein Asset oder eine Anlageklasse bietet nur eine geringe Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Risikoprämie, die über der von sicheren Staatsanleihen oder Cash liegt. Die Prognose der (unwahrscheinlichen) Risikoprämie erfolgt anhand eines allgemein akzeptierten Bewertungsmodells unter Vorhersage der erwarteten Cash Flows des Assets oder der Anlageklasse.
Der typische Grenzinvestor (“marginal buyer”) dieser Assets ignoriert Bewertungsmodelle und investiert basierend auf populären Investmentstories in der Hoffnung das oder die Assets an andere Marktteilnehmer zu einem höheren Kurs wiederverkaufen zu können.
Anders gesagt muss der Investor also sehr unwahrscheinliche (aber nicht völlig unmögliche) Annahmen bezüglich der Cashflows treffen, damit eine annehmbare Risikoprämie erwirtschaftet werden kann.
Als Pendant dazu definieren sie eine Anti-Blase wie folgt:
Der Investor trifft unwahrscheinlich pessimistische Annahmen unter denen das Asset oder die Anlageklasse keine solide Risikoprämie erwirtschaften wird.
Der Grenzinvestor ignoriert Bewertungsmodelle, die ihm eine klare Unterbewertung anzeigen.
Die Autoren des Papers zeigen dann auf, dass die am höchsten bewertete Aktie (gemessen an der globalen Marktkapitalisierung) in den letzten 30 Jahren nur ein einziges mal den globalen Marktindex geschlagen hat – es war Microsoft. Im Durchschnitt liegt die Performance dieses so genannten Top Dogs um 10.5% unter dem Index und zwar pro Jahr!
In der derzeitigen Situation sieht Research Affiliates eine Blase vor allem in den hochkapitalisieren Technologiewerten. Wobei hier nicht alle Werte einer eindeutigen Blase zugeordnet werden – für Microsoft, Apple und Amazon gilt wohl, dass man zwar sehr aggressive aber nicht unbedingt unwahrscheinliche Annahmen treffen muss, um einen entsprechenden zukünftigen Return zu rechtfertigen. Andere Technologieaktien – ein Beispiel ist Tesla – liegen dafür eindeutig im “Bubble-Territorium”. Teilweise reichen hier die Cashflows nicht einmal dafür aus, um die Finanzschulden zu bedienen (letzteres Merkmal qualifiziert sie dann als “Zombie”). Eine weitere Blase diagnostizieren die Autoren bei Bitcoin und ähnlichen digitalen Währungen, die per definitionem überhaupt keinen Cashflow erwirtschaften,
Doch interessanter ist die Fragen nach den Anti-Blasen. Research Affiliates benennen hier zwei Beispiele: Zum einen sehen sie staatseigene Unternehmen aus den Emerging Markets als weit unterbewertet. Das andere Beispiel sind britische Aktien, die sich seit 2016 im negativen Brexit-Sog befinden und weit underperformed haben. Beide Anlagekategorien (bei den staatseigenen Unternehmen kann man kaum von einer ganzen Anlageklasse sprechen) leiden derzeit unter der hohen Unsicherheit der Investoren. Während staatliche Unternehmen aus China oder Russland dem Generalverdacht ausgesetzt sind, dass (ausländische) Investoren möglicherweise das Opfer politisch-motivierter Kapitalbeschränkungen werden, liegt im Falle der UK-Aktien die Unsicherheit in den zu erwartenden Folgen eines Brexit. In beiden Fällen ist es nicht unmöglich, dass es tatsächlich zu einem “Worst Case” kommt, doch erscheint dies alles in allem doch unwahrscheinlich.
Die Empfehlung von Research Affiliates lautet daher, einerseits Blasen zu vermeiden und andererseits gezielt in Anti-Blasen zu investieren. Praktisch bedeutet dies, dass Investoren insbesondere die nach der Marktkapitalisierung gewichteten US-Indexfonds, besonders aber Techwerte, meiden sollen während ein gezieltes Investment in britische Aktien oder unterbewertete Emerging-Markets-Aktien empfohlen wird. Wer hier jedoch ein Rezept für schnelle Gewinne wittert, sollte sich die alte Börsenweisheit vor Augen halten, “that the market can remain irrational far longer than you can remain solvent“.
Als Valueinvestor sollte man aber tatsächlich immer wieder die eigenen Annahmen bezüglich der zukünftigen Cashflows (oder auch Gewinne) eines Unternehmens hinterfragen. Wie wahrscheinlich oder aggressiv sind die eigenen Annahmen? Welche Gewinne oder Dividenden müssen zukünftig erwirtschaftet werden, um eine zufriedenstellende Rendite zu erwirtschaften? Kann man – auch anhand der historischen Wachstumsraten einer Volkswirtschaft, einer Branche oder eines Einzelunternehmens solche Annahmen treffen? Umgekehrt ist es sogar noch interessanter zu fragen, ob nicht die Masse der Investoren bei bestimmten Firmen, Anlageklassen oder ganzen Volkswirtschaften unwahrscheinlich pessimistische Annahmen trifft.
Comments