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Buchbesprechung: “The Acquirer’s Multiple”

Tobias E. Carlisle ist der Autor des englischsprachigen Buches “The Acquirer’s Multiple” (2017), der auch schon die Bände “Deep Value” und “Concentrated Investing” (mit)verfasst hat. Im Kern geht es dabei um eine Investitionsstrategie, welche in niedrig bewertete Unternehmen investiert. Der wesentliche Unterschied zu anderen, ähnlichen Value-Strategie ist, dass nicht die herkömmlichen Kennzahlen wie KGV oder Preis/Buchwert zur Auswahl herangezogen werden, sondern jener besagte “Acquirer’s Multiple” (AM).

Dies ist eine Kennzahl, die in Private-Equity-Transaktionen herangezogen wird und den “echten” Wert eines Unternehmens darstellt. Im Kern geht es darum, dass sich der Unternehmenswert mit Marktkapitalisierung plus Finanzschulden/Vorzugsaktien (abzüglich Barbestände) berechnet und dann durch den operativen Gewinn geteilt wird. Die so berechnete Kennzahl kann dann zum Screening von möglichen Investitionen herangezogen werden. Je niedriger der AM, desto günstiger ist das Unternehmen bewertet.

Im einzelnen stellt sich das für den Zähler der Formel, den Unternehmenswert, so dar:

Unternehmenswert (Enterprise Value) = Marktkapitalisierung + Finanzschulden + Minderheitsanteile – Barbestände

Im Gegensatz zur reinen Marktkapitalisierung zeigt der Unternehmenswert, wieviel Geld ein Käufer tatsächlich für ein Unternehmen in die Hand nehmen muss, nicht nur um die Aktien zu erwerben, sondern auch um die Schulden zu tilgen.

Der operative Gewinn (der Nenner in der Formel) berechnet sich wie folgt:

Operativer Gewinn = Umsatz – Herstellungskosten (COGS) – Allgemein- und Verwaltungskosten – Abschreibungen und Amortisierung

Carlisle schreibt weiter:

Das Acquirer’s Multiple funktioniert am besten für den Vergleich von zwei oder mehr Firmen. Und so verwenden wir es. Wir berechnen es für alle Firmen, die an der Börse gelistet sind und identifizieren jene, die die grösste Unterbewertung aufweisen – die mit dem niedrigsten Acquirer’s Multiple.  (eigene Übersetzung, Seite 75)

Im folgenden präsentiert der Autor viele Daten aus dem Backtesting seiner Methode. Dabei vergleicht er seine Formel mit einem einfachen Indexinvestment in den S&P 500 aber auch mit den Methoden der “Magic Formula” (nach Joel Greenblatt) und “Pure Charlie” (30 Firmen mit der höchsten Profitabilität). Natürlich kommt Carlisle zum Ergebnis, dass seine Methode über längere Zeiträume (1973-2017) und für Aktien verschiedener Grössenklassen (unterschiedliche Untergrenzen der Marktkapitalisierung) immer die höchste Performance aufweist. Der S&P 500 kommt dabei fast immer am schlechtesten weg, während die Magic-Formula-Strategie teilweise etwas schlechter, teilweise aber auch gleichauf liegt. Wie das eben so ist mit Backtesting-Daten, man sollte nicht allzu viel darauf geben, da Zeiträume, Vergleichswerte und Aktienuniversum  so gewählt werden können, dass die gewünschten Ergebnisse erzielt werden. Ich will hier nichts unterstellen, aber Backtesting ist eben nicht das reale Leben…

Insgesamt erscheint der Ansatz von Carlisle interessant, da er argumentiert, dass “Reversion to the Mean”, also die Tendenz, dass über Zeit alles zurück zu einem langfristigen historischen Mittelwert tendiert, sich gerade für Aktienstrategien wieder und wieder als wahr entpuppt hat. Firmen können nur selten über lange Zeiträume überdurchschnittliche Profitabilität und Wachstum aufrecht erhalten, da der Wettbewerb ihnen das Leben schwer macht – mit Ausnahme von Monopolen oder Firmen mit einer extrem schwierig zu kopierendem Erfolgsformel. So kehren hohe Bewertungen früher oder später wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Umgekehrt werden günstig bewertete Unternehmen in der Regel irgendwann wieder von Investoren entdeckt und erzielen höhere Preise an der Börse.

Ob allerdings eine Vorgehensweise, die sich sklavisch an eine einzige Kennzahl hält, langfristig erfolgreich sein kann, wage ich zu bezweifeln. Als eine Methode, um das Aktienuniversum zu screenen und interessante Anlagekandidaten vorgeschlagen zu bekommen, ist das Acquirer’s Multiple sicher ein interessanter Ansatz, der in Ergänzung zum KGV oder KBV, mit ihren bekannten Schwächen, genutzt werden kann.

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