Vor einigen Jahren habe ich den Band "Systematische Investments in Corporate Excellence" von Philipp Weckherlin und Markus P. Hepp gekauft. Er verschwand erst einmal für lange Zeit im Stapel "Noch zu lesen, irgendwann", bis mir das Buch vor den Ferien wieder in die Hände fiel. Ich beschloss die Urlaubszeit zu nutzen, denn mein Interesse war geweckt: Es ging hier um das systematische Anlegen in Qualitätsaktien (der etwas kompliziert-akademische Titel führt hier etwas in die Irre). Qualitätsaktien sind mein Lieblingsthema, denn wie ich schon in meinem eigenen Buch gezeigt habe, liefert Qualität eine klare Überrendite.
Das Buch unterteilt sich in 10 Abschnitte und der Aufbau zeigt, dass sich die beiden Autoren systematisch mit der Auswahl von Qualitätsaktien auseinandergesetzt haben. Am Anfang weisen sie daraufhin, dass ein rein passiver Ansatz, obwohl bei vielen Anlegern sehr beliebt, auch gravierende Nachteile mit sich bringen kann, da bspw. auch die Wahl eines Index eine "Stock-Picking"-Entscheidung darstellt.
Bei der Auswahl ihrer Aktien nehmen die Autoren die Qualität und den Lebenszyklus eines Geschäftsmodells unter die Lupe, das Umfeld eines Unternehmens (wie z.B. die Branche oder den Heimmarkt), die Qualität des Managements und die Qualität der Finanzkennzahlen. Ausserdem erfolgt eine Prüfung der Aktienbewertung. Dieser Auswahlprozess folgt aus der Definition ihres Zielsegmentes der "attraktiv, bewerteten Qualitätsaktien":
"Die Unternehmen verfügen über solide Finanzkennzahlen (Bilanz, Erfolgsrechnung, Cashflows), ein attraktives Geschäftsmodell, eine starke Marktposition und eine glaubwürdige Führung. Sie weisen ein kalkulatorisch ermittelbares Upside auf und/oder sind attraktiv bewertet." (Seite 42)
Diese Definition kann jeder Qualitätsinvestor unterschreiben, natürlich ist man jetzt um so gespannter zu verstehen, anhand welcher konkreter Kriterien, Kennzahlen und Prozesse die Auswahl erfolgen sollte. Doch leider besteht hier weitgehend Fehlanzeige. Ein Beispiel: Die Qualität von Geschäftsmodellen (Seite 77 ff). In diesem Kapitel beschreibt das Buch, wie Geschäftsmodelle auf ihre Qualität überprüft werden können. Die Autoren verweisen als Ausgangspunkt auf das Werk von Peters und Waterman "In Search of Excellence" und sie erklären, dass Geschäftsmodelle dynamisch sind und daher Exzellenz meist nur ein temporäres Phänomen. Dabei geben sie an, dass Unternehmen den Qualitätsstatus im Mittel nur zwischen 2 und 2.5 Jahre halten konnten. Doch es gibt an keiner Stelle des Kapitels eine klare, operative Definition des Qualitätsbegriffs. Daraus folgt auch eine Beliebigkeit, die das Buch in Bezug auf die Quantifizierung der Unternehmensqualität an den Tag legt. Die Autoren führen ein sogenanntes "Corporate-Alpha" ein, welches dazu dienen soll den Mehrwert eines Unternehmens zu erfassen. Doch kann sich das Buch auf kein klares Messkonzept festlegen. Stattdessen führen die Autoren ein Sammelsurium von Vorgehensweisen auf, die alle scheinbar gleichberechtigt nebeneinander stehen, wie "Total Shareholder Return" , EVA (Economic Value Added), aber auch Net Operating Profit, EBIT, EBITDA, RONA (Return on Net Assets) oder eine Kombination dieser Kennzahlen. Es ist ein Rätsel, warum es keine Festlegung auf eine Kennzahl oder eine definierte Kombination gibt.
Auch in den weiteren Kapiteln bleibt das Buch bei der Messung von Qualität im Ungefähren. Bei der Messung der Managementqualität beziehen sich die Autoren auf verschiedene Konzepte (wie z.B. der Koeffizient der Führungsintensität oder die Personalkosten). Aber auch hier bleibt der Leser im Dunkeln, wie genau nun eine Kennzahl anzuwenden ist und in welchem Verhältnis sie zu anderen Kennzahlen steht. Diese Schwäche zieht sich durch das ganze Buch, nicht zuletzt auch bei der Prüfung der Aktienbewertung. Auch hier werden eine Reihe von Methoden vorgestellt (DCF, Price-to-Sales, Price-to-Book, Price-to-Earnings usw.). Die Frage, wann eine Aktie über- oder unterbewertet ist, bleibt letztlich unbeantwortet.
Im letzten Kapitel kommen die Autoren dann zur empirischen Überprüfung der "Excellence-Portfolios". Es zeigt sich, dass insbesondere attraktiv bewertete Qualitätsportfolios insgesamt und über verschiedene Marktphasen hinweg einen Performancevorteil gegenüber den gängigen Indices vorweisen können. Leider sind die gewählten Zeiträume (zwischen 2,5 und 7 Jahren) viel zu kurz, um valide Aussagen über den Erfolg der Qualitätsportfolios zu treffen. Auch bleibt unklar, wie die Qualitätsportfolios zusammengesetzt sind oder zumindest, welche Anlagerichtlinien verfolgt wurden.
Als Fazit ziehe ich, dass das Buch zwar einen interessanten und guten grundsätzlichen Ansatz verfolgt, leider ist seine Umsetzung und Evaluierung des "Exzellenz-Konzeptes" jedoch schwach. Der Leser wird im Unklaren darüber gelassen, wie er denn nun genau die Qualitätsaktien finden kann und ob damit wirklich langfristiger Erfolg verbunden ist. Ich weiss nicht, ob der Grund darin liegt, dass die Autoren nicht zu viel ihres Know-Hows preisgeben wollten oder ob sie einfach kein konkretes, empirisch validiertes Konzept für das Anlegen in Qualitätsaktien hatten. Leider haben sie die Chance vertan, den interessanten und vielversprechenden Buchtitel mit Leben zu füllen und Anlegern das richtige Werkzeug an die Hand zu geben. Bewertung: 2 von 5 Sternen.
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