Heute halten rund 7% der Deutschen über 14 Jahre Aktien. Im internationalen Vergleich ist das eine bemerkenswert niedrige Quote. In Frankreich, nicht gerade ein Land das man als Hort des Kapitalismus bezeichnen könnte, liegt die Quote mit 15% etwa doppelt so hoch. Die Schweizer kommen auf 20%. Und in den Vereinigten Staaten liegt der Anteil bei erstaunlichen 56%. Die weitverbreitete deutsche Skepsis gegenüber Aktien ist bekannt und bedauernswert. Insbesondere vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Krise der staatlichen Alterssicherung ist die Zurückhaltung gegenüber Aktienanlagen am globalen Produktivvermögen ein schwerer Fehler.
Doch die deutsche Aktienkultur ist nicht nur schwach ausgeprägt, sondern zeigt sich auch prozyklisch. Es ist ein typischer Fehler vieler Anleger, dass sie bei steigenden oder schon weit gestiegenen Kursen einsteigen. Nach einem starken Einbruch des Marktes verlässt sie dann der Mut und der Aktienbestand wird am oder nahe am Tiefpunkt wieder verkauft. Die folgende Grafik ist dabei sehr aufschlussreich:
Aktionärsquote in Deutschland, 1997-2021, Quelle Statista
Man erkennnt sofort den absoluten Peak im Jahr 2000. Fast um 2%-Punkte war die Aktienquote alleine von 1999 auf 2000 angestiegen. Und das ist kein Zufall, denn im Frühjahr 2000 erreichte die Internet-Manie an den Börsen ihren aboluten Höhepunkt. Der Neue Markt, der NASDAQ und viele andere Börsen erreichten ihre Allzeithochs, die frühere Boomphasen blass erscheinen liessen. Selbst in Deutschland fingen Privatanleger in Scharen an, sich an der Börse zu engagieren. Natürlich waren viele vor allem an den hochspekulativen Technologiewerten interessiert. Doch ab Miitte 2000 und vor allem ab September 2021 ging es weltweit an den Börsen rapide bergab. So sackte die amerikanische Leitbörse für Technologiewerte NASDAQ von 5140 Punken bis 2003 um über 80% ab.
Einen Tiefpunkt erreichte die Aktionärsquote dann in den Jahren 2008 bis 2010, als sie fast die 5%-Hürde nach unten überquerte. Offensichtlich hatten die Kurseinbrüche der Finanzkrise die deutschen Anleger weiter verunsichert. In den folgenden Jahren stieg die Quote wieder im Schneckentempo und sehr ungleichmäßig an. Obwohl in der Coronaphase angeblich sehr viele neue Anleger an den Markt kommen, auch begünstigt durch das Angebot günstiger Internetbroker, schlägt sich dies in der Quote nur in geringem Maß nieder. Nachdem 2022 die Kurse wiederum massiv zurückgegangen sind, ist zu befürchten, dass die Aktionärsquote wieder einen Rückschlag erfährt.
Es ist schwer zu erklären, warum in einer Wirtschaftsmacht wie Deutschland die Bevölkerung so wenig von Aktien hält. Vielleicht liegt es an der Angst vor der Volatilität der Börsen, die ja auch von interessierter Seite immer wieder gerne geschürt wird ("Casinokapitalismus"). Ganz sicher liegt aber ein Mangel an langfristigem Denken zugrunde: Die Unfähigkeit zu begreifen, dass Volatilität und Risiko bei Aktien kurz- bis mittelfristige Phänomen sind. Wer langfristig denkt, erkennt jedoch, dass Aktien das mit Abstand geringste Risiko aller Anlageklassen tragen.
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