Nach zwei Jahren Pause fand diese Woche die Frühjahrskonferenz des Equity Forum wieder in Frankfurt statt - live und persönlich. Ein Termin, den man nicht verpassen sollte, allerdings sind nur professionelle Anleger und Analysten zugelassen. Daher möchte ich heute drei Unternehmen vorstellen, die - zumindest richtungsmässig - in den langfristigen Qualitätsfokus meiner Anlagestrategie passen: Leifheit, Palfinger und adesso. Ich möchte hier keine tiefgreifende Analyse oder Empfehlung bringen, sondern nur ein paar meiner Beobachtungen und Anmerkungen zu diesen drei interessanten Werten zusammenfassen.
Fangen wir mit Leifheit an. Es handelt sich um ein deutsches Traditionsunternehmen, unter dessen Dach sich die Marken Leifheit (Reinigungsgeräte, Wäscheutensilien und Küchenhelfer) sowie Soehnle (Waagen und andere Messgeräte für Körperfunktionen) befinden. Gegründet wurde das Unternehmen schon 1959 und die Marke mit dem eindrücklichen roten Schriftzug kennt jede Hausfrau und natürlich auch der Hausmann. Allerdings hält die Gründerfamilie heute keinen relevanten Anteil mehr. Seit Juni 2019 ist Henner Rinsche Vorsitzender des Vorstands. Rinsche hat ein lange Karriere bei verschiedenen globalen Konsumgüterherstellern hinter sich, unter anderem bei P&G und SodaStream. Daher will Rinsche auch aus Leifheit das "Procter & Gamble der dauerhaften Konsumgüter" zu machen. Das Produktportfolio wurde gestrafft, das Budget für Fernsehwerbung stieg um den Faktor 12 auf über 30 Mio. € und es gilt seit 2019 die Philosophie "der Konsument ist der Boss und niemand sonst". Die Resultate liessen nicht lange auf sich warten:
Der Umsatz stieg von 234 (2019) auf 288 (2021) Mio €.
Der EBIT konnte sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppeln, nämlich von 9,9 Millionen auf 20,1 Mio.
Der Gewinn pro Aktie stieg schliesslich von 0,61 € auf 1,49 €.
Entsprechend ging auch der Kurs der Leifheit-Aktie durch die Decke und erreichte 2021 ein 52-Wochen-Hoch von 48,90 €.
Leifheit Aktienkurs 3 Jahre
Doch der Absturz liess nicht lange auf sich warten. Denn schon ab dem Sommer 2021 zogen dunkle Wolken am Himmel auf: Im 3. und 4. Quartal konnten die hohen Umsätze der Vorjahresquartale nicht erreicht werden. Die Inflation und der russische Überfall auf die Ukraine taten ein übriges. Das Konzern-EBIT verringert sich im 1. Quartal 2022 auf 2,7 Millionen €. Ein Jahr zuvor lag es noch bei 8,3 Millionen. Ist die Zeit der Stagnation bei Leifheit schon wieder zurück? Nein, sagt CEO Henner Rinsche, 2022 handele es sich um ein Ausnahmejahr und das Wachstum bei Umsatz und Gewinn würde ab 2023 fortgesetzt. Leifheit habe exzellente Marken, eine stabile Bilanz (Eigenkapitalquote 46%) und die Wachstumsstrategie sei getestet und für gut befunden worden. Der Einbruch beim EBIT sei auf temporäre Sonderfaktoren zurückzuführen, insbesondere das stark eingebrochene Konsumentenvertrauen und die explodierenden Preise bei den Rohstoffen. Das alles sei langfristig kein Problem und daher sei die heutige Bewertung der Firma wieder günstig. Das KGV liegt derzeit bei etwa 15.
Ob Faktoren wie die Inflation tatsächlich nur temporär sind und ob Leifheit auf Dauer die Preiserhöhungen an die Kunden weitergeben kann, sei einmal dahingestellt. Einen guten Punkt hat der (relativ) neue CEO mit seiner Wachstumsstrategie, denn dass die Marke Leifheit in ihrem Segment stark ist, bleibt unbestritten. Und dass eine moderne Marketingstrategie das Wachstum ankurbeln kann, hat Leifheit seit 2019 bewiesen. Andererseits sollte man auch in Rechnung stellen, dass langlebige Konsumgüter eben nicht so einfach mit den Gütern des täglichen Verbrauchs, wie Zahnpasta und Waschmittel, verglichen werden können. Die Anschaffung erfolgt in grossen zeitlichen Abständen und kann typischerweise auch zeitlich hinausgeschoben werden.
Mein Fazit: Leifheit gehört auf die Long List der zu beobachtenden Unternehmen, ist aber derzeit kein heisser Kandidat für eine Qualitätsaktie mit außerordentlichem Langfristpotenzial.
Die zweite Idee ist die Palfinger AG, auch dies ist ein Traditionsunternehmen, aber mit Sitz in Österreich. 56% der Aktien befinden sich noch in der Hand der Gründerfamilie. Palfinger produziert Ladekräne und ähnliche Vorrichtungen, die typischerweise auf LKW oder andere Plattformen montiert werden. Die wichtigste Kundengruppe ist die Baubranche, aber ein schnell wachsendes Segment ist auch die Offshore-Windkraftindustrie. Palfinger gehört weltweit zu den marktführenden Unternehmen im Kranbau.
Palfinger machte 2021 einen Umsatz von 1,84 Mrd. € und konnte einen operativen Gewinn von 155 Mio. € verbuchen. Damit lagen sowohl Umsatz als auch Gewinn auf einem historischen Rekordniveau. Der Umsatz konnte in den letzten 5 Jahren regelmässig gesteigert werden, im Durchschnitt um über 6% pro Jahr. Der operative Gewinn stieg auch, aber eher unregelmässig. Die Eigenkapitalquote liegt heute bei eher mageren 33%, aber dafür liegt die EK-Rendite für 2021 bei attraktiven 17,6%.
Doch 2022 wird ein wesentlich schwierigeres Jahr, insbesondere wegen der stark steigenden Rohmaterialpreise. Palfinger hat ein gut gefülltes Auftragsbuch - und genau hier liegt das Problem: Die Preise für die Aufträge sind fixiert, aber die Input-Kosten steigen laufend. Dadurch kommt die Profitabilität mächtig unter Druck. Im ersten Quartal 2021 fiel daher der EBIT um 25% auf rund 30 Mio. €. Palfinger hat deswegen neu ein dynamisches Preissystem eingeführt, das die Preise bei Auftragserteilung flexibel lässt. Allerdings sind die Auswirkungen dieses neuen Preissystems erst 2023 zu erwarten.
Eine weitere Baustelle sind die Aktivitäten in Russland. Dort befinden sich nicht nur Produktionsstätten und 1.400 Mitarbeiter von Palfinger, auch macht der russische Markt einen nicht ganz vernachlässigbaren Teil von Umsatz und Gewinn aus. Ein völliger Rückzug aus dem russischen Markt steht daher nicht zur Debatte, aber die Sanktionen müssen eingehalten werden. So muss Palfinger hier einen Drahtseilakt leisten, der nicht einfach zu bewältigen ist.
Palfinger AG Aktienkurs 3 Jahre
Mit einem KGV von nur 10 (gemessen am Ergebnis 2021) ist Palfinger derzeit sehr günstig bewertet. Das KBV liegt bei rund 1,6. Die Dividendenrendite liegt mit über 3% in einem interessanten Bereich. Auf der negativen Seite fällt die eher geringe Ausstattung mit Eigenkapital auf (33% EK-Quote) und die Verschuldung hat über die letzten Jahre etwas zugenommen. Die 10-jährige Wachstumsrate der Gewinne pro Aktie liegt bei knapp 7%, während das Eigenkapital um gut 4% pro Jahr zulegen konnte.
Fazit: Alles in allem ist Palfinger kein schlechtes Unternehmen und der derzeitige Kurs ist eher von kurzfristigen Überlegungen geprägt als von den langfristigen Aussichten dieses Unternehmens. Doch gibt es ein paar dunkle Schatten auf der Zukunftsperspektive - nicht zuletzt das Russlandgeschäft - was dazu führt, dass auch Palfinger nur auf die langfristige Beobachtungsliste kommt.
Kommen wir zur dritten Idee: Die adesso SE ist ein IT-Unternehmen, das in den Bereichen IT-Consulting und Softwareentwicklung tätig ist. Adesso wurde 1997 gegründet und hat heute 6.300 Mitarbeiter an einer Vielzahl von Standorten in der DACH-Region, aber auch in ausgewählten europäischen Ländern, mit einem Schwerpunkt in Skandinavien. Der Umsatz lag 2021 bei 678 Mio. € und die Cash-Position bei 110 Mio. Über 50% des Aktienbestandes sind in der Hand von Insidern. Insgesamt 42,5% des Kapitals befindet sich noch in der Hand der Gründer - ein sehr positiver Langfristindikator.
Die adesso expandiert vor allem über den Aufbau starker Branchenkompetenzen. Der Schwerpunkt liegt hier derzeit in der Versicherungswirtschaft. Aber auch im Bankensektor, der Gesundheitswirtschaft und der öffentlichen Sektor konnten in 2021 relevante Umsatzanteile erzielt werden.
Die adesso AG ist eine echte Wachstumsgeschichte: Über die letzten 5 Jahre wuchs der Umsatz durchschnittlich um gut 20% pro Jahr. Der Gewinn pro Aktie konnte sogar um knapp 30% jährlich zulegen. Die Eigenkapitalrendite lag 2021 bei 25%. Wir sehen also ein konsistent positives Bild bei der langfristigen Profitabilität. Kurzfristig war im ersten Quartal 2022 ein Einbruch der Profitabilität zu beobachten, da das EBITDA im Jahresvergleich von rund 38 auf 28 Mio. € zurückgegangen ist. Allerdings handelt sich nach Angabe der Firma hier um einen Einmaleffekt, der auf einen Verkauf einer Tochtergesellschaft im ersten Quartal 2021 zurückzuführen ist. Ohne diesen Effekt sei eine Steigerung beim EBITDA um 24% zu verzeichnen gewesen.
adesso Aktienkurs 3 Jahre
Gleichzeitig sehen wir beim Aktienkurs einen Einbruch von derzeit fast 25% seit dem Hoch bei 228 €. Der Rückgang scheint eher der derzeitigen Marktstimmung geschuldet als fundamentalen Faktoren. Basierend auf dem Gewinn von 2021 liegt das KGV der adesso heute bei rund 23. Das ist nicht unbedingt eine günstige Bewertung, angesichts der konsistenten Wachstumsdynamik aber sicherlich auch nicht teuer. Etwas dämpfend fällt die Eigenkapitalquote von nur 36% ins Auge.
Mein Fazit: Die adesso ist ein guter Kandidat für die langfristige Qualitätsstrategie. Eine tiefere Prüfung ist daher angesagt.
Disclosure: Der Autor hält zum Zeitpunkt der Beitragsveröffentlichung keine Aktien der o.g. Unternehmen.
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