Derzeit liegt die Marktkapitalisierung der Aktie von Shop Apotheke Europe (SAE) bei rund 4 Mrd. €. Der Kurs liegt derzeit bei 220 €, was einem Anstieg von 370% innerhalb eines Jahres entspricht. Innerhalb der letzten berichteten neun Monate (Januar bis September 2020) konnte das Unternehmen einen Umsatz von 703 Mio. € verbuchen. Das entspricht einem Plus von 38% gegenüber der Vorjahresperiode. Das operative Ergebnis lag bei gut 1 Mio. € (Vorjahr -25 Mio. €). Aufgrund starker Belastungen aus Zinsen musste ein negativer Reingewinn von -9.5 Mio. € (Vorjahr -30.4 Mio. €) verbucht werden.
Trotz dieser beeindruckenden Zahlen erscheint die Bewertung recht hoch, um nicht zu sagen verdächtig hoch. Ein Unternehmen, das Verluste schreibt mit über 4 Milliarden € zu bewerten, erfordert sehr viel Vorstellungsvermögen. Doch wie kann man analytisch nachvollziehen, ob die Bewertung nun lediglich anspruchsvoll oder viel zu hoch ist? Vor einiger Zeit hatte ich dazu einen Blogbeitrag über Rob Arnott, einen Partner bei Research Affiliates, geschrieben. Arnott hat zwei Kriterien entwickelt, die helfen eine Blase zu identifzieren:
Schauen wir uns einmal an, was eine faire Bewertung von SAE wäre: Das Unternehmen gibt selbst an, dass langfristig eine EBIT-Marge von 6% angestrebt wird (Geschäftsbericht 2019). Nehmen wir an, dass ein KGV von 15-20 langfristig gerechtfertigt wäre, was eine relativ aggressive Annahme für einen Einzelhändler in einem regulierten Markt ist. Bei einer EBIT-Marge von 6% kann man grob eine Nettomarge von 4% annehmen (keine grössere Verschuldung). Bei einer heutigen Marktbewertung von 4 Milliarden € müsste also ein Gewinn von etwa 200-270 Mio. € erzielt werden. Dies entspricht einem Umsatz von 5 bis 6,75 Milliarden und damit mithin einer durchschnittlichen Wachstumsrate zwischen 18% und 21% über die nächsten 10 Jahre. Ist das realistisch? Amazon hat immerhin eine Wachstumsrate von über 25% in den letzten 10 Jahren erreicht und SAE ist im Jahre 2020 vermutlich um mehr als 35% gewachsen. Doch Amazon hat in diesem Zeitraum auch ein völlig neues Geschäftsfeld aufgebaut (Amazon Web Services – AWS) und eine massive internationale Expansion vorlegen können.
SAE setzt darauf, dass der bisher weitgehend von lokalen Apotheken beherschte Medikamentenmarkt zu einem siginfikaten Anteil digitalisiert wird. Heute werden zum Beispiel im deutschen Markt nur 1% der Rezepte in Online-Apotheken umgesetzt. Ausserdem bietet SAE einen Preisvorteil von rund 10%-15% gegenüber normalen Apotheken. Weiterhin gibt es noch eine Reihe weiterer internationaler Märkte in Europa, die lohnenswert für eine Expansion erscheinen. Mit Einführung des E-Rezeptes in Deutschland in diesem Jahr wird jetzt auch ein grosser digitaler Schritt nach vorne gemacht.
Dies sind starke Argumente, die für SAE ins Gewicht fallen. Doch müssen auch eine Reihe von negativen Faktoren in Erwägung gezogen werden:
SAE ist nicht der einzige grosse Player in diesem Markt. Ein weiterer grosser Anbieter ist z.B. Zur Rose. Mit einem Umsatz von über 1 Milliarde € in 2019 überflügelt dieses Unternehmen SAE deutlich. Dazu kommen noch eine Vielzahl kleinerer Anbieter, die online-Dienste anbieten.
Der Markteintritt von grossen Online-Retailern wie Amazon ist nicht unwahrscheinlich, auch wenn hier gewisse regulatorische Hürden zu überwinden sind.
Die enge Regulierung des Marktes (zumindest im Rx-Segment) führt zu einer Schwerfälligkeit, welche das Wachstum abbremst.
Um es zusammenfassend zu sagen: Die Annahmen, die ein Analyst treffen müsste, um den Kurs von SAE zu rechtfertigen sind nicht unmöglich in der Realität zu erreichen. Ob sie wahrscheinlich erreichbar sind, ist eine ganz andere Frage. Ich sehe das eher skeptisch.
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