Es ist ein Allgemeinplatz, dass die erfolgreiche Geldanlage der Geduld bedarf. Doch was heisst das eigentlich? Der Begriff der Geduld ist dehnbar wie Kaugummi. Während mancher Anleger, bereit ist Jahre zu warten, bis eine Investition sich auszahlt, verliert ein anderer schon nach einigen Monaten die Geduld. In den Factsheets für Fonds werden meist Dreijahres- oder Fünfjahreszeiträume für die Performance ausgewiesen. Dies lässt darauf schliessen, dass drei oder fünf Jahre ein sinnvoller Zeithorizont für einen Aktienanleger seien. Doch sollte ein Anleger tatsächlich nach drei oder fünf Jahren einen unterdurchschnittlichen Fonds abstossen, dessen Strategie er für grundsätzlich überlegen hält?
Jedem langfristig orientierten Anleger ist klar, dass eine einzelne Aktie oder ein Fonds über längere Zeit schlechter als der Marktindex laufen kann. Wenn ein Fondsmanager drei Jahre unter dem Marktindex liegt, ist das ein Zeichen für sein Unvermögen? Oder muss der geduldige Anleger doch besser fünf oder zehn Jahre warten? Ernsthafte Investoren (nicht Spekulanten) stellen sich diese Frage notgedrungen immer wieder. Und es ist tatsächlich eine der schwierigsten Fragen im Anlagegeschäft.
Chris Tidmore und Andrew Hon von Vanguard Research haben nun versucht diese Frage auf Basis harter Daten zu beantworten. In ihrem Research-Paper “Patience with active performance cyclicality: It’s harder than you think” haben sie untersucht, wie lange und wie oft Anlagestrategien, die eigentlich historisch betrachtet den Markt schlagen sollten, unter dem Marktindex liegen oder unterdurchschnittlich performen.
Einerseits betrachten sie dabei eine Reihe von so genannten Faktorstrategien (Value, Momentum, Low Volatility, Size und Multifactor), andererseit analysieren sie eine Stichprobe von Aktienfonds, die zu den besten ihres jeweiligen Fondstyp gehören. Die Ergebnisse zeigen, dass es faktisch sehr lange und sehr tiefe Täler der unterdurchschnittlichen Performance gibt, welche Anleger aushalten müssen, um sich letztendlich dann doch eine überdurchschnittliche Rendite zu sichern.
Häufigkeit des unterdurchschnittlichen Abschneidens bestimmter Investmentstrategien gegenüber dem breiten Marktindex (US-Aktien). Gemessen wurden dabei jeweils rollierende Zeiträume (bei den 3- und 5-Jahreszeiträumen überlappend) für den Zeitraum 1995-2020. Faktoren unterteilen das Aktienuniversum nach bestimmten anlagerelevanten Grössen (z.B. Value- gegenüber Wachstumsaktien). Die hier gezeigten Faktorstrategien zeigen durchschnittlich über sehr lange Zeiträume eine bessere Performance als der Markt
Doch was ist eine Faktorstrategie? “Faktoren sind breite, dauerhafte Renditetreiber, die in der Vergangenheit zu langfristigen Renditen innerhalb und unter den Anlageklassen geführt haben“. Es zeigt sich hier also, dass auch über längere Zeiträume eigentlich überlegene Strategien schlechter abschneiden können als der Markt: In einem Viertel bis fast zur Hälfte aller 5-Jahreszeiträume erreichen die eigentlich überlegenen Strategien nicht den breiten Marktindex. Es zeigt sich darüber hinaus, dass die Stärke der Unterrendite erheblich sein kann. Im Zeitraum von 1995 bis 2020 zeigte sich der grösste negative Abstand zwischen den Faktorstrategien und dem breiten Marktindex wie folgt:
Valuestrategie: Minus 29% (Mai 1998 bis Januar 2001)
Momentum: Minus 19% (August 2008 bis August 2013)
Low Volatility: Minus 38% (Jan. 1995 bis August 2001)
Grösse: MInus 38% (Mai 1996 bis November 2001)
Dies bedeutet, dass ein Anleger nicht nur für sehr lange Perioden und immer wieder eine relativ schlechtere Performance erdulden muss, sondern auch Abstände zum Marktdurchschnitt, die bis zu fast 40% betragen können. Für viele Anleger ist eine solche Situation psychologisch nur schwer zu bewältigen.
Genauso interessant ist die Analyse von Aktienfonds, welche ihren Benchmark geschlagen langfristig haben. Einbezogen wurden 1173 Fonds, die ihren Benchmark über die 25-Jahres-Periode bis Ende 2019 übertroffen haben.Wohlgemerkt: Es handelt sich hier nur um die besten Fonds. Die Mehrheit der Fonds, die ihren Benchmark nicht schlagen konnten, werden gar nicht berücksichtigt. Betrachtet wurden im übrigen nur US-domizilierte Fonds.
Es zeigt sich auch hier sehr deutlich, dass selbst die besten Fonds auch dauerhafte Durststrecken überstehen müssen. Die betrifft sowohl ihren Benchmark als auch ihre so genannten Peers. So zeigt sich, dass rund ein Drittel der Fonds ihren Benchmark in 40%-60% der rollierenden 5-Jahres Perioden nicht schlagen können. Ein weiteres Viertel der Fonds liegt immerhin nur in 20%-40% der 5-Jahres-Perioden hinten, während ein gutes Zehntel sogar in 60%-80% der Zeiträume unter dem Benchmark liegt. Dabei lagen die eigentlich sehr guten Fonds in ihrer grossen Mehrheit mindestens einmal um mehr als 20% unter ihrem Vergleichs-Benchmark.
Wenn man die Ergebnisse resümiert, kommt man zum Schluss, dass 40% dieser überdurchschnittlichen Fonds ihren Vergleichsmassstab auch nach fünf Jahren nicht erreichen können. Selbst nach 10 Jahren liegt diese Quote noch bei rund 30%. Langfristiger Erfolg (über sehr lange Perioden) kann also häufig von einem mittelfristigen Misserfolg begleitet werden.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass aktive Anleger, die auf bestimmte Strategien oder aktive Fonds setzen, damit rechnen müssen, über lange Perioden, die auch mehr als zehn Jahre betragen können, den breiten Markt oder Benchmark nicht zu schlagen. Betrachtet man kürzere Zeiträume wie ein Jahr oder drei Jahre, dann wird dies sogar sehr häufig geschehen, nämlich in rund 50% aller Zeitperioden. Auch die Stärke der Underperformance kann nervenaufreibend sein, da sie zumindest in einzelnen Zeiträumen auch bis zu 20% oder gar 30% reichen kann. Trotz all dieser negativen Vorzeichen wendet sich (historisch betrachtet) das Blatt immer wieder und die erfolgreichen Fonds wie auch Faktorstrategien können sich langfristig durchsetzen.
Für den individuellen Anleger heisst dies ganz klar: Geduld ist eine Kardinaltugend. Eine als erfolgreich eingestufte Strategie sollte man nicht leichtfertig aufgeben, denn der Erfolg ist langfristig durchaus wahrscheinlich. Allerdings kann man berechtigte Zweifel haben, ob die Mehrheit der Anleger (privat oder institutionell) diese Geduld aufbringen können oder wollen. Nur sehr langfristig orientierte Anleger werden ein solches Spiel erfolgreich spielen können.
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