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Gewinn je Aktie: Es lohnt sich genau hinzuschauen

Jeder Anleger, der sich etwas mit den Bilanzen seiner Unternehmen beschäftigt, schaut auf den “Gewinn je Aktie”, im Englischen auch als “Earnings per Share” oder kurz “EPS” bekannt. Diese Kennzahl ist tatsächlich von sehr großer Bedeutung, da sie angibt, welcher Anteil des Gewinns auf jede einzeln Aktie entfällt. Ein Aktionär hat damit ein sehr gutes Maß für die tatsächliche Rentabilität seiner Anlagen. Der Grund liegt darin, dass die absolute Summe des Gewinns wenig darüber aussagt, ob sich eine Anlage gut entwickelt oder nicht. Denn es ist entscheidend, wie viele Anteile tatsächlich im Umlauf sind, um die Aktienrentabilität bestimmen zu können. Wie wir später sehen werden, ist es darüber hinaus von größter Wichtigkeit, auch zu wissen wie viele potenzielle weitere Aktien in Umlauf gebracht werden können. Man nennt dies den Verwässerungseffekt. Für den Anleger ist es entscheidend zu verstehen, wie ein Unternehmen seine Gewinne je Aktie berechnet und wie es zu einem möglichen Verwässerungseffekt kommen kann. Denn von den heutigen und zukünftigen Gewinnen je Aktie hängen viele weiter Kennzahlen ab, die für eine Anlagestrategie zentral sind, dazu gehört u.a. das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder das Gewinnwachstum, welches man meist per Aktie berechnet.

Um den Gewinn je Aktie berechnen zu können, muss man einerseits den Gewinn bestimmen, andererseits aber auch die Zahl der sich im Umlauf befindenden Aktien kennen. Was zählt nun zum Gewinn, der den Zähler bei der Berechnung des Gewinns je Aktie darstellt? Es handelt sich dabei um den Jahresüberschuss, der den Aktionären des Unternehmens zur Verfügung steht. In manchen Fällen sind so genannte Minderheitsanteile oder nicht beherrschende Anteile abzuziehen. Hier handelt es sich um Anteile des Gewinns, der in Tochtergesellschaften des Konzerns erzielt wird, in denen es noch fremde Minderheitengesellschafter gibt.Weiterhin sind vom Gewinn die Dividenden abzuziehen, die an die Vorzugsaktionäre gezahlt werden. Dazu muss man wissen, dass in manchen börsennotierten Unternehmen Stammaktien und Vorzugsaktien ausgegeben werden. Vereinfacht gesagt, haben die Stammaktionäre das Sagen, während die Vorzugsaktionäre eine etwas höhere Dividende erhalten.

Um die Sache noch komplizierter zu machen, gibt es auch Fälle, in denen für Stammaktien und Vorzugsaktien jeweils der Gewinn je Aktie separat berechnet und ausgewiesen wird. Ein Beispiel dafür ist der Henkel-Konzern, der in seinem Geschäftsbericht grundsätzlich den Gewinn pro Stammaktie und Vorzugsaktie separat ausweist: Man sieht bei Henkel, dass der Gewinn pro Stammaktie im Jahre 2021 um 0,02 € unter dem Gewinn je Vorzugsaktie liegt (3,76 € vs. 3,78 €), was die um 0,02 € höhere Dividende für die Vorzugsaktionäre widerspiegelt. Aufpassen sollte man immer dann, wenn ein sogenannter “bereinigter Gewinn pro Aktie” ausgewiesen wird (auch diesen kann man bei Henkel besichtigen). Das bereinigte Ergebnis liegt oft deutlich über dem nach den Bilanzierungsvorschriften veröffentlichten Gewinn je Aktie. Die Unternehmen können dabei – mehr oder weniger nach Belieben – bestimmte “Sondereffekte” herausrechnen. Nicht immer handelt es sich dabei aber um außergewöhnliche Effekte, sondern eher um Bilanzkosmetik.

Wie sieht es nun beim Nenner der Gleichung aus? Hier wird in der Regel die gewichtete, durchschnittliche Zahl der ausstehenden Stammaktien eingesetzt. Aktien, die vom Unternehmen selbst gehalten werden, zählen nicht dazu. Die Gewichtung erfolgt periodengerecht. Wenn ein Unternehmen also am Anfang eines Geschäftsjahres bspw. eine Million Aktien im Umlauf hat und dann Ende März eine weitere Million Aktien in Umlauf bringt, berechnet sich die Gewichtung wie folgt:

Gewichteter Durchschnitt: 1.000.000 Aktien x 0,25 + 2.000.000 Aktien x 0,75 = 1.750.000 Aktien

Beträgt im obigen Fall der Jahresüberschuss z.B. 3,5 Millionen €, dann wird ein Gewinn je Stammaktie von 2 € ausgewiesen (vorausgesetzt, dass keine Vorzugsaktien im Umlauf sind). Damit haben wir nun das umverwässerte Ergebnis je Aktie berechnet. Doch damit sollte sich der Anleger (noch) nicht zufrieden geben! Denn was passiert, wenn es im Hintergrund noch eine große Zahl von Aktien gibt, die zukünftig in den Umlauf geraten können? Man denke dabei etwas an Aktienoptionen, die an Mitarbeiter ausgegeben wurden, oder Wandelanleihen. Diese Instrumente können auf den Gewinn je Aktie einen verwässernden Effekt haben und damit die einem Stammaktionär zustehenden Gewinne zukünftig stark schmälern. Ein solcher Verwässerungseffekt kann somit einen ganz entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Gewinnsituation des Aktionärs ausüben.

Schauen wir uns auch hier ein praktisches Beispiel an: Die Deutsche Konsum REIT-AG (DKR AG) weist im letzten Geschäftsjahr 2020/21 ein unverwässertes Ergebnis je Aktie von 2,60 € auf; doch das verwässerte Ergebnis liegt bei nur 1,84 €. Der Verwässerungseffekt schmälert das Ergebnis also um fast 30% ! Diese 30% können für einen Investor einen großen Unterschied machen. Woher kommt dieser Effekt? Es handelt sich im Falle der DKR AG um potenzielle neue Aktien, die aus Wandelanleihen in Umlauf kommen können. Das Unternehmen hat in der Vergangenheit Wandelanleihen begeben, die den Anleihegläubigern das Recht einräumen, unter bestimmten Konditionen ihre Anleihen in Aktien zu wandeln. So könnten aus 35,15 Millionen Stammaktien dann plötzlich 49,96 Millionen werden. Die heutigen Aktionäre müssen sich also im Klaren sein, dass bei der DKR AG zukünftig eine ganz massive Schmälerung des ihnen zurechenbaren Gewinns stattfinden kann und sehr wahrscheinlich aus stattfinden wird. Diese Verwässerung muss schon heute zu einer starken Modifikation des Bewertungsmodells für die Aktie führen.

Neben Wandelanleihen können auch Aktienoptionen oder Vorzugsaktien mit Wandeloption, sowie einige andere Instrumente zu einem Verwässerungseffekt führen und müssen daher bilanziell einbezogen werden. Würde allerdings die Wandlung oder Ausübung solcher Instrumente zu einem Effekt führen, der die Verwässerung wieder aufhebt, dann tritt der Verwässerungseffekt nicht ein. Ein Beispiel sind Optionen, deren Ausübungspreis über dem Kurs der Aktie liegt, d.h. diese Optionen sind nicht “im Geld” und daher erfolgt auch keine Verwässerung.

Alles in allem ist also das verwässerte Ergebnis je Aktie die entscheidende Größe. Es zeigt auf, wie sich die Gewinnsituation des Unternehmens in Bezug auf das ausgegebene Stammkapital zukünftig entwickeln wird. Für den Aktionär sind diese zukünftigen Aussichten die kritische Größe. Wie verhält sich der zukünftige Gewinn je Aktie in Bezug auf den Aktienkurs? Wie sieht das Gewinnwachstum aus, wenn man den Verwässerungseffekt einbezieht?

Eine große Differenz zwischen verwässertem und umverwässertem Ergebnis je Aktie sollte für jeden Anleger Anlass zum nachbohren geben. Woher kommt der Verwässerungseffekt? Wurden etwa im Übermaß Optionen an die Mitarbeiter ausgegeben? Wie sehen die Konditionen der Wandelanleihen genau aus und wann ist die Wandlung in Aktien zu erwarten? Eine solche Differenz kann, aber muss nicht, ein Indikator für ernsthafte Probleme des Unternehmens sein. Interessant ist es auch, wenn die Differenz von einem Jahr zum anderen zurückgeht. Dies kann etwa daran liegen, dass der Aktienkurs gefallen ist und entsprechend Optionen nicht mehr “im Geld” stehen. Sollte es sich dabei um Mitarbeiteroptionen handeln, kann dies Folgen für die Motivation des Führungspersonals haben.

Wie so häufig in der Bilanzanalyse gilt also auch hier: Der langfristig orientierte Anleger sollte an der Oberfläche kratzen und nachforschen, wenn solch zentrale Kennzahlen wie das Ergebnis je Aktie irgendwelche Auffälligkeiten aufweist.

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