Seit dem 1. Januar 2019 müssen Unternehmen, die nach IFRS berichten, den neuen Standard IFRS 16 zur Bilanzierung von Leasingverträgen anwenden. Bisher wurden Leasingverhältnisse nach IAS 17 bilanziert. Die Anwendung von IFRS 16 kann gravierende Folgen für die Bilanz, für die GuV und für den Cashflow haben. Gerade in den letzten Monaten ist es vielleicht aufgefallen, dass in den Geschäftsberichten Veränderungen vorkommen, die bei vielen Investoren zu Verunsicherungen führen: Warum sinkt plötzlich die Eigenkapitalquote? Warum steigt das EBITDA stark an während die Finanzschulden wachsen? Was passiert mit den verschiedenen Positionen der Cashflowrechnung?
Der alte Standard wurde kritisch gesehen, da die Wahlmöglichkeit zwischen operativem und Finanzleasing den Unternehmen zu viele Wahlmöglichkeiten gäbe und insgesamt die Abschlüsse nicht mehr gut vergleichbar wären. Der neue Standard IFRS 16 soll dieses Problem lösen; wie man sehen wird aber nur mit begrenztem Erfolg.
Jeder analytisch orientierte Anleger sollte sich mit den Folgen von IFRS 16 auseinandersetzen. Die wichtigsten Änderungen treten dabei beim Leasingnehmer auf und nicht beim Leasinggeber. Daher betrachte ich hier vor allem die Seite des Leasingnehmers.
Was sind nun die wichtigsten Veränderungen gegenüber dem alten Zustand?
Grundsätzlich müssen ab 1.1.2019 alle Leasinggegenstände in der Bilanz in der Form eines Nutzungsrechts aktiviert werden. Bisher wurde zwischen “operating lease” und “finance lease” unterschieden, wobei nur letzteres in der Bilanz als Aktiva aufgetaucht ist. Es gibt nunmehr nur noch ganz wenige Ausnahmen, nämlich Leasingverhältnisse, die maximal 12 Monaten dauern und Leasinggegenstände von geringfügigem Wert (unter 5000 USD).
Das Nutzungsrecht wird auf der Aktivseite in der Regel anfänglich mit der Höhe der Anschaffungskosten des Leasinggegenstandes bilanziert. Dadurch wird die Bilanz des Leasingnehmers verlängert. Das Nutzungsrecht muss nachfolgend über die Dauer des Leasingvertrages (in der Regel linear) abgeschrieben werden. Dadurch steigen die Abschreibungen. Das EBITDA kann dagegen positiv beeinflusst werden, da die operativen Kosten für das Leasingverhältnis hier nicht mehr auftauchen, wie es bis anhin unter IAS 17 der Fall war.
Auf der Passivseite muss der Leasingnehmer die Verpflichtungen aus dem Leasingvertrag bilanzieren. Dies geschieht in der Höhe des Barwertes aller Leasingzahlungen, gerechnet über die Vertragslaufzeit. Die Leasingverbindlichkeit ist um den Tilgungsanteil der periodisch bezahlten Leasingraten zu kürzen, während der entsprechende Zinsanteil als Zinsaufwand zu erfassen ist. Daher nimmt der Zinsanteil auch periodisch ab während der Zinssatz i. d. R. konstant bleibt. Die Höhe des Zinssatzes soll sich aus dem Leasingvertrag berechnen, kann aber auch hilfsweise mit einer Referenzrate angenähert werden.
Auch für den Cashflow ergeben sich wesentliche Veränderungen: Während bisher die Leasingzahlung im operativen Cashflow berücksichtigt waren, wird nun der Tilgungsanteil im Finanzierungscashflow berücksichtigt und die Zinszahlungen entweder (je nach Ausübung des Wahlrechtes) im operativen oder im Finanzierungscashflow.
Aus der Sicht des Analysten ergeben sich hier – je nach Unternehmen – gravierende Auswirkungen auf Bilanz, GuV und Cashflowrechnung mit entsprechenden Konsequenzen für die Kennzahlenanalyse, ohne dass sich das zugrunde liegende Geschäft im geringsten geändert hätte.
Bilanziell ergibt sich ein Wachstum der Gesamtsumme der Aktiva und Passiva, wobei gleichzeitig die Finanzschulden steigen und das Eigenkapital relativ zum Gesamtkapital fällt. Entsprechend kann die Eigenkapitalquote teilweise drastisch fallen, während Nettofinanzschulden und Gearing ansteigen können.
Für die GuV sind deutliche Verbesserungen beim EBITDA und in etwas geringerem Umfang beim EBIT möglich. Da sowohl Abschreibungen wie auch Zinszahlungen nicht auf Ebene des EBITDA anfallen, kann dieses deutlich in die Höhe schnellen mit entsprechenden Konsequenzen für bestimmte Rentabilitätskennzahlen. Bis anhin sind die operativen Leasingkosten voll auf das EBITDA anrechenbar gewesen. Auch das EBIT kann etwas besser ausfallen, da zumindest der Zinsanteil auf dieser Ebene ausgeklammert bleibt. Da die Abschreibungen linear sind aber die Zinszahlungen über die Laufzeit abnehmen, ergibt sich auch (gegenüber der Situation früher) ein gewisses Frontloading der Kosten, da am Anfang der Laufzeit Zinszahlungen plus Abschreibungen deutlich höher liegen als am Ende.
Im Cashflow ist eine Verbesserung des operativen Cashflows zu erwarten während der Finanzierungscashflow nun durch die Tilgungszahlungen belastet wird. Die Zinsen können wahlweise operativem Cashflow oder Finanzierungscashflow zugerechnet werden.
Ein paar Beispiele aus dem Jahresabschluss 2019 der Takkt AG sollen die Punkte verdeutlichen. Bei der Takkt AG handelt es sich um einen Business-to-Business Versandhändler, welcher mit allgemeiner Geschäftsausrüstung aller Art handelt. Die Takkt AG bilanziert eine Reihe von Leasingverträgen, die bisher als operatives Leasing behandelt wurden, nun aber unter dem neuen IFRS 16 bilanziert werden müssen. Dabei handelt es sich v.a. um Gegenstände des Sachanlagevermögens wie z. B. Grundstücke, Bauten oder technische Einrichtungen. Folgende Bilanzeffekte sind bei der Takkt AG 2019 zu verzeichnen:
Positiver Effekt von 1% auf die EBITDA-Marge.
Abschreibungen erhöhen sich wegen IFRS 16 um rund 12 Mio. € auf 41 Mio. €. Dies entspricht einer Erhöhung von rund 40%.
Das Finanzergebnis wird durch die zusätzlichen Zinsaufwendungen deutlich negativer ausgewiesen.
Die operative Cashflow-Marge liegt um 1% höher.
Aus der Anwendung von IFRS 16 resultierte zudem ein Anstieg der Nettofinanzverschuldung um 58 Mio. €. Dies entspricht einem Anstieg von deutlich über 30%.
Das Gearing erhöhte sich entsprechend von 0.2 auf 0.3 und die Eigenkapitalquote sank von 60.8% auf 58.5%.
Diese Veränderungen sind teilweise gravierend und haben wichtige Auswirkungen auf Kennzahlen, die bei der Investitionsentscheidung zentral sind. Für Takkt ist beispielsweise die EBITDA-Marge ein wesentlicher Steuerungsfaktor. Investoren müssen daher die Konsequenzen von IFRS 16 auf verschiedenen Ebenen gut verstehen. Die Takkt AG gehört lobenswerterweise zu den Unternehmen, die die Veränderungen sehr detailliert in ihrem Jahresabschluss diskutieren.
Was ist mein Fazit der Veränderungen? Die alte Situation war sicher nicht befriedigend. Fraglich bleibt aber, ob die Vergleichbarkeit der Abschlüsse nun besser gewährleistet ist, da die Unternehmen z. B. beim kalkulatorischen Zinssatz oder auch der Laufzeit immer noch grosse Spielräume haben. Gleichzeitig ist die Komplexität der Berechnung und der Auswirkungen wie auch der Aufwand bei der Rechnungslegung massiv gestiegen. Das Konstrukt eines abzuschreibenden Nutzungsrechtes erscheint mir reichlich theoretisch, aber das mag mein persönlicher Geschmack sein, der die immer weitere Akademisierung des Rechnungslegungsstandards nicht für anstrebenswert hält. Ein weiterer Kritikpunkt ist mangelnde Übereinstimmung mit dem Vorgehen des US-GAAP, ohne dass ich hier in die Tiefe gehen kann.
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