“Aber, so schlimm es ist, der arme Kerl [Mr. Market] hat unheilbare emotionale Problem. Zeitweise fühlt er sich euphorisch und sieht nur vorteilhafte Faktoren, die die Geschäfte beeinflussen. In dieser Stimmung offeriert er hohe Preis, denn er fürchtet, dass ihm die besten Chancen und damit schnelle Gewinne verloren gehen. Zu anderen Zeiten ist er depressiv und sieht nichts als heraufziehende Probleme für die Wirtschaft und die Welt im allgemeinen. In dieser Phase wird er Dir einen extrem niedrigen Preis bieten, aus Angst Du könntest Deine Aktien bei ihm abladen.” (Warren Buffett, Annual Letter to Berkshire Shareholders, 1987)
Es scheint, dass unser armer Freund, Mr. Market, wieder einmal in der depressiven Phase seines manisch-depressiven Zyklus angekommen ist. Wie lange sie dauert? Keine Ahnung. Vielleicht gleitet der Markt schon in den nächsten Tagen – nach einer kuren Phase der Ausgeglichenheit – in seine manisch-euphorische Phase zurück. Vielleicht hält die Depression gar Monate oder Jahre an. Letztendlich ist dies ja auch völlig unerheblich. Wichtig ist nur, dass eine Phase immer wieder die andere ablöst. Durchaus unterhaltsam ist es jedoch zu sehen, wie Analysten, sogenannte Marktstrategen, Finanzjournalisten etc. nach einigen Tagen fallender Kurse plötzlich umschwenken und die Situation in den dunkelsten Farben ausmalen.
Der Valueanleger kann sich zwischenzeitlich auf die Suche machen. Viele Aktien sind in den letzten vier Wochen um über 25% gefallen. Da erscheint es durchaus möglich, dass gute Unternehmen zu Preisen angeboten werden, die attraktiv sind. Doch Vorsicht ist bei Pauschalurteilen geboten. Allenthalben hört man jetzt von Pseudo-Valueinvestoren, dass diese und jene Branche attraktiv bewertet sei. So verlautet eine Schweizer Großbank heute Morgen in ihrem “Daily Guide” an Kunden, es sei gerade jetzt der Finanzsektor schnäppchenverdächtig günstig bewertet. Vor diesen Pauschalurteilen ist zu warnen. Eine detaillierte Einzelanalyse jedes Unternehmens muss erfolgen und nur so kann der Abstand zwischen meist sehr stabilem inneren Wert und heftig fluktuierendem Marktwert festgestellt werden. Natürlich hat der Marktkrisen-erfahrene Valueanleger eine Liste interessanter und qualitativ guter Unternehmen, die bei fallenden Preisen günstig und damit risikoarm gekauft werden können. Auffallend ist in solchen Marktphasen jedoch immer wieder wie schnell plötzlich Bankeneinschätzungen zum inneren (oder “fairen”) Wer von Unternehmen nach unten revidiert werden, wenn es am Markt kurzzeitig mal richtig abwärts geht. Ein Indikator dafür, dass die Lernkurve von Bankanalysten auch sieben Jahre nach dem großen New-Economy-Debakel sehr flach geblieben ist – zum Wohle der Valueanleger!
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