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Malen nach Zahlen: Warum quantitative Anlagestrategien nur wenig Sinn machen

“Quantitiative Value Investing” ist ein Schlagwort, welches viele Value-Investoren in seinen Bann zieht. Es ist das Versprechen mit einer (einfachen oder weniger einfachen) Formel überdurchnittlichen Anlageerfolg zu erzielen. Dazu gehören eher einfache Kennzahlen wie ein niedriges KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) oder ein niedriges KBV (Kurs-Buchwert-Verhältnis oder auch eine hohe Divdendenrendite. Zunehmend findet man aber auch komplexere Kennzahlensysteme, die dem Anleger zur Nachahmung empfohlen werden. Besonders weiter verbreitet ist hier z.B. die “Magic Formula” von Joel Greenblatt. Ein gutes Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum ist die so genannte “Levermann-Methode“.

Die Magic Formula kombiniert beispielsweise eine hohe Rentabilität im Verhältnis zu Unternehmenswert (EBIT/EV) mit einem hohen RoC (“Return on Capital”, genauer gesagt EBIT/Net Fixed Assets + Working Capital). Die 20-30 Unternehmen, die die beste Kombination aus diesen Kennzahlen bieten,  kommen auf die Kaufliste. Es findet einmal pro Jahr eine Neuberechnung und Neuinvestition statt.

Die Levermann-Methode ist noch wesentlich komplizierter und kombiniert mittels eine Punktwertsystems bis zu 13 verschiedene Variablen. Dazu gehören z.B. die Eigenkapitalrendite und die operative Marge, aber auch technische Kennzahlen wie Kursmomentum und “Dreimonatsreversal”.

All diesen und ähnlichen Verfahren ist gemeinsam, dass Anlageentscheidung mechanisch nach der Formel getroffen werden. Der Anleger muss sich nicht mehr um das Geschäftsmodell des Unternehmens, Marktanalysen oder die Fähigkeit des Managements kümmern. Nein, denn alles geht ja viel einfacher. Formel anwenden, Aktienmärkte damit durchkämmen und dann einfach mechanisch investieren.

Alle diese Methoden beanspruchen für sich, den “Markt” zumindest langfristig  bei der Performance zu schlagen. Den Nachweis führen die Anhänger dieser Strategien meist durch so genannte “Back-Tests”, also Simulationen mit historischen Daten über kürere oder längere Zeiträume. Es gibt aber auch eine Reihe von Fonds, die nach den genannten oder ähnlichen Verfahren investieren und Überrenditen für sich beanspruchen.

Doch können solche Ansätze tatsächlich langfristig funktionieren? Ich habe grosse Zweifel am langfristigen Erfolg solcher Blindflugstrategien und für so manchen Investor wird es ein böses Erwachen geben.

“But when one throws the computer at data, looking for just about any relationship, it is certain that  a spurious connection will emerge, such as the fate of the stock market being linked to the length of women’s skirts.” “A random series will always present some detectable pattern. I am convinced that there exists a tradable security in the Western world that would be 100% correlated with the changes of temperatures in Ulan Bator, Mongolia.” Nassim Nicholas Taleb, Fooled by Radomness

Der erste Einwand gegen quantitiatives Anlegen mit einfachen Formeln ist, dass es sich bei den statistischen Zusammenhängen um pure Zufälle handeln kann. Gerade das Back-Testing verleitet dazu, solche Zusammenhänge herauszufiltern. Wenn man lange danach sucht, findet man immer Kennzahlen, die alleine oder in Kombination mit anderen, in der Vergangenheit zu einer überdurchschnittlichen Anlageperformance geführt haben (oder hätten, sollte man wohl besser sagen).

Der zweite Einwand, und der ist noch wesentlich gewichtiger, bezieht sich auf die zukünftige Gültigkeit von solchen Zusammenhängen. Es mag richtig sein, dass es in der Vergangenheit einen kausalen Zusammenhang zwischen niedrigem KBV und steigenden Aktienkursen gab. Doch je mehr Anleger diesen Zusammenhang für sich entdecken und anwenden, desto schneller wird er verschwinden. Denn wenn viele Anleger dieser vermeintlich erfolgreichen Strategie folgen, werden die Kurse der entsprechenden Wertpapiere in Folge höherer Nachfrage steigen und damit die Strategie an Attraktivität verlieren.

Der dritte Einwand bezieht sich auf die Vernachlässigung der Transaktionskosten. Privatanlaeger haben oft höhere Handelskosten zu tragen als institutionelle Investoren. Strategien, welche es erforderlich machen, dass alle zwölf Monate sämtliche Aktien verkauft und neue gekauft werden, gehen schnell ins Geld und schmälern die Performance.

Der vierte Einwand richtet sich gegen die Übertragbarkeit von Strategien auf andere Aktienmärkte als die ursprünglich gewählten. Viele Anlagestrategien wurden z.B. für den US-Markt getestet oder können hier eine bessere Performance aufweisen (z.B. im Vergleich mit dem S&P 500). Doch wie steht es um die Übertragbarkeit auf Europa oder gar auf einzelne Märkte innerhalb Europas? Ganz zu schweigen wäre hier von Schwellenländern oder noch exotischeren Anlagemärkten. Viele Investoren können oder wollen nicht weit ausserhalb ihres Heimmarktes investieren, doch ist es gefährlich einfache Formelrezepte auf diesen einfach zu übertragen.

Warren Buffett betont, dass man die Anlage in eine Aktie als Anlage in ein Unternehmen betrachten muss:

“Charlie and I hope that you do not think of yourself as merely owning a piece of paper whose price wiggles around daily and that is a candidate for sale when some economic or political event makes you nervous. We hope you instead visualize yourself as a part owner of a business that you expect to stay with indefinitely, much as you might if you owned a farm or apartment house in partnership with members of your family. For our part, we do not view Berkshire shareholders as faceless members of an ever-shifting crowd, but rather as co-venturers who have entrusted their funds to us for what may well turn out to be the remainder of their lives.” Berkshire Hathaway Owners’ Manual

Wer den Aktienmarkt als Lotterie sieht und mittels mechanischer Formeln eine übelegene Auswahl von Aktien treffen möchte, ohne dabei die Unternehmen dahinter zu betrachten, wird a la longue genarrt werden. Nichts spricht dagegen KGV, KBV oder irgendeine andere Formel zu verwenden, um das Aktienuniversum nach interessanten Kandidaten zu durchkämmen (“Screening”). Doch wer glaubt, er könne sich die mühsame Arbeit des Analysten ersparen und Anlageentscheide bequem in fünf Minuten treffen, der sei gewarnt. Die Zahl der (Hedge-)Fondsmanager, die mit ihren “totsicheren” Systemen auf dem Friedhof der Finanzgeschichte liegen ist Legion – und auch einige Value-Gurus gehören zu diesen Zombies. Buffett empfiehl solchen Anlegern doch besser  in günstige Index-Fonds zu investieren, statt die fetten Gebühren von Fondsmanagern zu bezahlen, deren Erfolg nur auf Zufall beruht oder auf Faktoren, deren Gültigkeit kaum zukünftig garantiert werden kann.

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