Was ist "Return on Invested Capital" (ROIC)?
Ein Unternehmen schöpft Wert, wenn ein investierter Euro mehr als einen Euro an Wert schafft. Dies ist nur dann der Fall, wenn die abgezinsten Cashflows aus diesem investierten Euro in Summe mehr als einen Euro ergeben. Der Zinssatz stellt dabei die Kapitalkosten dar, also die Opportunitätskosten für den Investor, der seinen Euro ja auch irgendwo anders hätte investieren können. So weit so gut, diese Definition ist das Standardmodell zur Unternehmensbewertung auf der Basis des Free Cash Flows (FCF).
Doch was hat das ganze mit dem ROIC zu tun? Im Grunde stellt der ROIC eine vereinfachte Methode dar, um aus der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz eines Unternehmens abzuleiten, ob Wert geschöpft oder vernichtet wird. Insofern ist der ROIC sehr eng mit der Bewertungsmethode des FCF verwandt. Der Vorteil des ROIC ist, dass es sich meist einfacher berechnen lässt und weniger Spekulation hinsichtlich zukünftiger Cashflows benötigt, da das ROIC auf Basis der Ist-Situation errechnet wird.
Die Definition für das ROIC lautet: Die Kapitalrendite eines Unternehmens, welche auf dem Betriebsgewinn nach Steuern (englisch: NOPAT oder Net Operating Profit After Tax) und dem gesamten, operativ eingesetzten Kapital beruht.
Warum ist es so wichtig?
Viele Anleger treffen ihre Investitionsentscheidungen anhand des Unternehmenswachstum, meist Umsatz oder Gewinn. Je grösser das Wachstum, desto beeindruckter sind sie. Andere sind auf der Suche nach Schnäppchen (Value-Investoren) und orientieren sich an einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder einer günstigen Kurs-Buchwert-Zahl (KBV). Man will nur 50 cent für den Euro bezahlen und fokussiert daher auf die günstig bewerteten Aktien. Doch beide Strategien sind oft genug erfolglos. Denn weder Wachstum noch eine günstige Bewertung sind eine Garantie für die zukünftige Wertbildung eines Unternehmens. Umsatz oder sogar der Gewinn können kontinuierlich wachsen, aber wenn das zusätzlich zur Verfügung stehende Kapital nicht eine Rendite über den Kapitalkosten erbringt, ergibt sich aus dem Wachstum keine Wertschöpfung.
Auch scheinbar günstig bewertete Aktien sind kein Garant für zukünftige Kursavancen. Zwar ist es korrekt, dass eine Marktkapitalisierung unterhalb des Buchwertes theoretisch bei der sofortigen Liquidierung aller Wertgegenstände eines Unternehmens zu einem Wert über dem derzeitigen Aktienkurs führen würde. Doch wie realistisch ist ein solches Szenario? Nicht umsonst widerspiegelt die Marktkapitalisierung eines Unternehmens die Summe der zukünftigen Cashflows.
Wie berechnet man das ROIC?
Im Internet findet sich eine verwirrende Vielfalt von Anleitungen, wie man das ROIC berechnen kann. Die meisten davon sind falsch.
Die Formel lautet: ROIC = NOPAT / Invested Capital.
Die Berechnung des NOPAT ist relativ einfach. Man nimmt den Betriebsgewinn (EBIT) und multipliziert diesen mit dem Term (1 - Cash-Steuerquote). Zu beachten ist, dass zum Betriebsgewinn die Amortisation aus akquirierten immateriellen Werten zurückaddiert wird. Die Cash-Steuerquote ist in der Regel etwas niedriger als die in der GuV ausgewiesene Steuerquote, da die Differenz aus latenten Steuerschulden und latentem Steueransprüchen bei den meisten Unternehmen dazu führt, dass tatsächlich etwas geringere Steuern gezahlt werden müssen als in der GuV ausgewiesen werden. Als Daumenregel könnte man circa 95% der ausgewiesenen Steuerquote ansetzen. Alternativ kann man sich natürlich die latenten Steuern genau anschauen und die Differenz aus Zuwachs bei latenten Steuerschulden und Ansprüchen kalkulieren. Man kann die Cash-Steuerquote auch ganz einfach aus der Cashflow-Rechnung ablesen.
Eine weitere Komponente, die bei NOPAT Beachtung finden sollte, ist das sogenannte Tax Shield. Dieses berechnet sich als Nettozinsaufwand x marginale Cash-Steuerquote. Dieser Betrag ist dem NOPAT wieder hinzuzufügen, da man diese Steuervergünstigung wieder heraus rechnen muss, um die Analyse tatsächlich unabhängig von der Finanzierungsstruktur zu halten.
Diese ganzen Berechnungen dienen dazu, den realen, operativen Nettoaufwand des Unternehmens zu kalkulieren.
Die Berechnung des investierten Kapitals gestaltet sich etwas komplizierter. Es gibt dabei unterschiedliche Möglichkeiten, aber am praktikabelsten erscheint mir der operative Ansatz (die Alternative wäre der Finanzierungsansatz mit der Addition von Eigenkapital und Finanzschulden).
Die Berechnung geht in folgenden Schritten vor:
Nettoumlaufvermögen: Dies ist das Umlaufvermögen abzüglich überschüssigem Barbestand und kurzfristige Wertpapiere, sowie abzüglich aller nicht zinstragenden kurzfristigen Verbindlichkeiten. Dabei ist es nicht ganz einfach den "überschüssigen" Barbestand zu bestimmen, da einige Unternehmen doch über erhebliche Barmittel verfügen, die oftmals als "Kriegskasse" vorgehalten werden. Eine pragmatische Lösung ist, dass man bei sehr hohen Barbeständen z. B. 50% in Abzug bringt.
Dem so berechneten Nettoumlaufvermögen werden folgende Positionen hinzugerechnet:
+ Netto-Sachanlagevermögen
+ Erworbene immaterielle Wertgegenstände + Goodwill
+ Sonstiges
Das Netto-Sachanlagevermögen entspricht dem Sachanlagevermögen in der Bilanz (Immobilien, Anlagen etc.), da dies ja bereits um die Abschreibungen bereinigt ist. Langfristige Leasing-Assets (right-of-use-assets) gehören auch dazu. Auch die erworbenen immateriellen Wertgegenstände (z.B. Marken) und der Goodwill aus Unternehmenskäufen gehören dazu. Weiterhin werden alle sonstigen operativ notwendigen Wertgegenstände hinzugerechnet. Wertgegenstände, die nicht betrieblich nötig sind, bleiben unberücksichtigt. Dazu gehören z. B. überschüssiger Cash, Wertpapiere, Investitionen in nicht konsolidierte Unternehmen usw.
Wie unterscheidet sich RoIC von anderen Kennzahlen wie Return on Equity oder Return on Assets?
Der ROIC zeigt dem Analysten, ob der erzielte operative Gewinn in Bezug auf das eingesetzte Kapital über oder unter den Kapitalkosten liegt. Die so berechnete Kennzahl ist also unabhängig von der Finanzierungsstruktur eines Unternehmens. Nehmen wir einmal an, dass ein Unternehmen sich zu 90% über Schulden finanziert, dann wird die Eigenkapitalrendite (Return on Equity oder ROE) dieses Unternehmens um ein vielfaches höher sein als die Eigenkapitalrendite eines Unternehmens, das sich bspw. nur zu 30% aus Krediten finanziert. Insofern ist die Eigenkapitalrendite eine Kennzahl, die weniger gut vergleichbar ist, aber natürlich auch ihre Berechtigung und Aussagekraft hat.
Ähnlich sieht es mit dem Return on Assets (ROA) oder auf Deutsch der Gesamtkapitalrendite aus. Diese Kennzahl enthält das Gesamtkapital einer Firma und zeigt, inwiefern das Unternehmen sein Gesamtkapital effizient einsetzt.
Beispiel: Hugo Boss AG
Schauen wir uns einmal beispielhaft den ROIC der Hugo Boss AG in 2022 und 2021 (den letzten beiden verfügbaren Finanzjahren) an.
Die Kapitalrendite von 14.4% liegt mit Sicherheit über den Kapitalkosten von Hugo Boss. Die Kapitalkosten stellen den gewichteten Durchschnitt aus den Kosten für das Fremd- und Eigenkapital dar und erfordern eine Analyse der Zinskosten wie auch der Eigenkapitalkosten des Unternehmens. Grob geschätzt liegt der Ansatz aber deutlich unter 10%. Somit ist festzustellen, dass Hugo Boss sowohl in 2022 als auch in 2021 einen ökonomischen Profit vorweisen kann, der über den Kapitalkosten liegt.
Quelle und Leseempfehlung: Meine Methode der ROIC-Berechnung basiert stark auf einem Artikel von Michael J. Mauboissin und Dan Callahan: Return on Invested Capital. How to Calculate RoIC and Handle Common Issues (October 2022).
Hier finden sich auch weitere, vertiefende Hinweise und gute Beispiele.
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