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Sind Aktien Anfang 2017 überbewertet?

Eine der am häufigsten gestellten Fragen. Und die Antworten könnten unterschiedlicher nicht ausfallen. In Anbetracht der derzeitigen Rally an den Märkten (Januar 2017), erscheint die Frage aktueller denn je. Gibt es einen Weg festzustellen, ob das allgemeine Bewertungsniveau von Aktien objektiv zu hoch ist? Und wenn ja, sollte man daraus Konsequenzen ziehen? Und ab welcher Höhe der Überbewertung sind welche Konsequenzen angemessen?

Vorab ein Zitat von Peter Lynch, das die ganze Diskussion um die Prognose von Bullenmärkten relativiert:

Far more money has been lost by investors preparing for corrections or trying to anticipate corrections than has been lost in corrections themselves.

Auf Deutsch: Eine weitaus grössere Summe an Geld wurde durch Vorbereitung auf Marktkorrekturen (also Crashes, nach dem erreichen eines Tops) oder dem Versuch Marktkorrekturen vorherzusagen, verloren, als in Korrekturen selbst.

Auf diesem Blog haben wir bereits einmal in der Vergangenheit über den Sinn oder Unsinn des Vorhersagen von “Börsenblasen” geschrieben. Es bleibt natürlich richtig, dass es auch überhaupt keinen Sinn macht über das “generelle Marktniveau” zu sprechen. Und im Kern bleibt es auch richtig, dass nur die Betrachtung einzelner Unternehmen wirklich zielführend ist.

Was aber, wenn nun ein ETF-Investor, der breitgestreut in verschiedene Indizes investiert (z.B. Eurostoxx50 oder S&P500), danach fragt inwiefern diese spezifischen Märkte tendenziell als überbewertet zu betrachten sind?

Ganz grundsätzlich macht es  nur dann Sinn von einem objektiv überbewerteten Markt zu sprechen, wenn mehrere Indikatoren unabhängig voneinander eine massive Abweichung eines möglichst spezifisch definierten Aktiensegmentes  von seinem fairen oder inneren Wert signalisieren.

Welche Indikatoren kommen hier grundsätzlich in Frage?

  1. KGV auf die erwarteten Gewinne

  2. KGV auf mehrjährigen Durchschnitt der vergangenen Gewinne (z.B. fünf oder zehn Jahre)

  3. Verhältnis von Gesamtkapitalisierung der Aktienmärkte zum BIP

  4. Aktienrenditen im Vergleich zu Bondrenditen

  5. KCV

  6. Tobins Q

  7. Sowie verschiedene andere Masszahlen

Am einfachsten lassen sich die Zahlen für US-Aktienmärkte beschaffen.Und was wir hier derzeit – im historischen Vergleich – sehen, deutet auf eine signifikante Überbewertung der Märkte hin:

  1. KGV für den DJ Industrial liegt derzeit bei 21.7 (gegenüber 15.5 vor einem Jahr). Bezugsgrösse sind hier die Gewinne der letzten 12 Monate. Für den breiteren S&P 500 liegt das KGV bei 25.0 (gegenüber 21.6 vor einem Jahr). Für den Stoxx Total Market North America sehen die Zahlen ähnlich aus: 26.5 für die letzten 12 Monate (mit den Firmen, die negative KGV haben) und 19.8 (nur inklusive der Firmen mit positiven Gewinnen). Historisch liegt der Mittelwert des KGV des S&P bei 15.6 und der Median bei 14.6 (beide bezogen auf die Gewinne der jeweils vergangenen 12 Monate). Das historische Maximum wurde im Mai 2009 mit 123 gemessen (wegen stark eingebrochener Gewinne).

  2. Die KGVs auf Basis der erwarteten Gewinne liegen in allen Fällen deutlich niedriger – etwa im Bereich von 18; was darauf schliessen lässt, dass für 2017 hohe Gewinnsteigerungen erwartet werden.

  3. Die Dividendenrendite liegt für den Dow bei 2.4% und den S&P 500 bei 2.1%.

  4. Der zyklisch adjustierte KGV nach Shiller (gerechnet mit den durchschnittlichen Gewinnen der letzten 10 Jahre) liegt momentan bei 28. Historisch liegt der arithmetische Mittelwert bei rund 17 und der Median bei 16. Der Höchstwert wurde im Dezember 1999 mit 44.2 erreicht. 2008 lag der Shiller KGV bei rund 27.

  5. The Buffett Indicator (Marktkapitalisierung zu BIP) liegt derzeit bei 121%. Auch dies ist deutlich über dem historischen Durchschnitt: Wenn man den leicht ansteigenden Trend über die Jahre heraussrechnet, kann man von etwa 30% über dem historischen Mittelwert seit 1950 ausgehen. Allerdings ist der Wert leicht niedriger als Anfang 2015 (123%) und zu seinem historischen Höhepunkt im Jahre 2000 mit 151%.

  6. Verschiedene andere Indikatoren, die ähnlich aufgebaut sind, deuten auf eine ähnliche Überbewertung hin – unter anderem Tobins Q (siehe z.B. hier).

Wie sehen jetzt aber die Marktbewertungen für andere Regionen aus? Hier ist die Datenlage leider etwas dünner:

  1. Der Stoxx Europe TMI (Total Market Index) hat einen KGV von 25.3 (trailing, mit negativen Gewinnen) und 17.8 (trailing, nur positive Gewinne). Die Prognosen für 2017 liegen bei bei eine KGV von rund 15-16. Das KBV liegt bei 1.6 und das Verhältnis von Kursen zu Umsätzen bei rund 1.1. Die Dividendenrendite liegt derzeit bei 3.2%.

  2. Der Shiller KGV für Europa (entwickelt) liegt bei 16.6, wobei sich hier grosse Differenzen zwischen den Ländern verbergen: So liegt Dänemark etwa bei 33 aber Portugal nur bei 11.

  3. Insgesamt zeigt sich auch bei vielen anderen Masszahlen eine hohe Disparität zwischen den Ländern. Eine gute Quelle für Datenvergleiche findet sich auf der Website der Firma StarCapital.

Das Bild für die Emerging Markets zeigt allgemein den geringsten Grad der Überbewertung:

  1. Der KGV liegt mit negativen Gewinnen bei 17.7 und ohne bei 14.1 (trailing).

  2. Die prognostizierten KGV liegen bei 14.6 (offensichtlich keine Gewinnsteigerungen erwartet) und die Dividendenrendite bei 2.6%.

  3. Aber auch hier zeigen sich massive Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. So liegt der Shiller KGV für Russland bei 5.9, für China bei 12.8 und für Indien bei 17.6.

Abschliessend noch ein Wort zu Japan, welches insgesamt ein ähnliches Bild wie die Vereinigten Staaten abgibt. Der Shiller KGV liegt bei knapp 25, der KGV bei 19.4 und die Dividendenrendite bei 2%.

Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass die wichtigsten Märkte, angefangen mit den USA, deutlich überbewertet erscheinen. Daneben gibt es aber eine Reihe von Ländern und Regionen, die man als unterbewertet ansehen könnte. StarCapital hat ein Ranking berechnet, welches einen Score auf Basis verschiedener Bewertungsvariablen ausweist. Demnach sind Russland und China die Märkte mit dem  geringsten Bewertungsniveau, gefolgt von Italien, Österreich und Norwegen (Ölindustrie!). Am unteren (teuren) Ende dieses Rankings liegen Dänemark, Mexiko und Belgien. Auch die Schweiz liegt hier im “roten Bereich”.

Im Falle einer grossen Marktkorrektur, insbesondere in den Vereinigten Staaten, ist  davon auszugehen, dass die Märkte weltweit in Mitleidenschaft gezogen werden. Allerdings ist der “Weg nach unten” bei den sportlich bewerteten Märkten und Regionen deutlich weiter als in den eher unterbewerteten Bereichen.

Alles in allem können wir folgende Schlussfolgerungen ziehen:

  1. Der US-Aktienmarkt ist deutlich überbewertet. Mit einer signifikanten Korrektur oder einer längeren Stagnation muss mittelfristig gerechnet werden.

  2. Europa erscheint im Durchschnitt etwas überbewertet; einzelne Länder können durchaus als signifikant überbewertet betrachtet werden. Gleiches gilt für Japan. Mit einer Korrektur, insbesondere wenn es in den Vereinigten Staaten zu einem “Crash” kommt, muss auch hier gerechnet werden. Allerdings könnte diese durchaus milder ausfallen, da die Bewertungsniveaus noch nicht durchgehend übertrieben erscheinen.

  3. Die Emerging Markets erscheinen fair oder sogar günstig bewertet. Die Erfahrung zeigt, dass aber gerade sie bei einem allgemeinen globalen Rückgang der Börsenpreise schnell in Mitleidenschaft gezogen werden.

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