Wie viele Millionen sollen es denn nun sein? Für viele Investoren ist der Vergütungsbericht eines börsennotierten Unternehmens ein Buch mit sieben Siegeln. Komplexe Vergütungsstrukturen, oft mit Aktienoptionen und ähnlichen Instrumenten versehen sowie intransparente Berichterstattung bringen wenig Licht ins Dunkel. Zu Recht bemerkte Warren Buffett schon vor Jahren dazu:
“In recent years compensation committees too often have been tail-wagging puppy dogs meekly following recommendations by consultants, a breed not known for allegiance to faceless shareholders who pay their fees. (If you can’t tell whose side someone is on, they are not on yours.) True, each committee is required by the SEC to state its reasoning about pay in the proxy. But words are usually boilerplate written by the company’s lawyers or its human-relations department. There’s nothing wrong with paying well for truly exceptional performance. But, for anything short of that, it’s time for directors to shout “less!” It would be a travesty if the bloated pay of recent years became a baseline for future compensation. Compensation committees should go back to the drawing boards.”
Wenn man sich etwa den Vergütungsbericht der BASF SE anschaut (Teil des Geschäftsberichts), werden bei der Höhe der Vergütungen ganz unterschiedliche Zahlen angegeben. Man findet dort vier verschiedene Zahlen für die Vergütung des Vorstandes: Zuwendungen, Zuflüsse und Aufwand in der GuV (einmal nach HGB/DRS und einmal nach IFRS). Und die Zahlen weisen erhebliche Unterschiede auf!
So addieren sich die gesamten Zuwendungen an den Vorstand der BASF SE laut Deutschem Corporate Governance Kodex (DCGK) auf 29,59 Millionen €. Der gesamte Zufluss 2019 (auch nach DCGK) liegt jedoch lediglich nur bei 17,07 Millionen €. Wenn man sich dann die Vergütung nach HGB in Verbindung mit DRS 17 (Deutscher Rechnungslegungsstandard) anschaut kommt man gerade noch 16,67 Millionen €. Im Anhang zum Konzernabschluss unter der Ziffer 31 werden dann nach IFRS nochmals andere Zahlen ausgewiesen: Nämlich 16,5 Millionen € Gesamtvergütung des Vorstandes plus zusätzlich 3,7 Mio € Pensionsaufwendungen.
Im Geschäftsbericht der BASF für 2019 finden sich also insgesamt vier verschiedene Angaben zur Vergütung des Vorstandes, die von 16,5 bis 29,59 Millionen € reichen. Der Anleger kratzt sich am Kopf und denkt darüber nach, ob man hier bewusst mit Nebelkerzen arbeitet oder warum die verschiedenen Rechnungslegungsmethoden zu kaum vergleichbaren Ergebnissen kommen. Schauen wir uns also nacheinander einmal die Methodik an, die hinter jeder Zahl steht.
Zuwendung nach DCGK: Laut der Mustertabelle des DCGK umfassen die aufgeschlüsselten Zuwendungen folgende Komponenten:
Festvergütung
Nebenleistungen
Einjährige variable Vergütung
Mehrjährige variable Vergütung
Versorgungsaufwand
Die Punkte Festvergütung und Nebenleistungen sind recht klar. Es geht dabei um den fixen Lohn (Grundlohn) der Vorstände. Interessant wird es bei den variablen Vergütungen, die hier ausgewiesen werden müssen. Dabei sind die Bestandteile der variablen Vergütung auszuweisen, die im Berichtsjahr zugesagt oder verdient wurden (also z.B. Aktien, Optionen, Geldboni etc.), aber nicht notwendigerweise auch zur Auszahlung oder Realisierung gelangen.
Zufluss nach DCGK: Auch hier existiert eine Mustertabelle der DCGK. Diese Tabelle enthält für die Festvergütung sowie die Nebenleistungen dieselben Werte wie die Tabelle, die den Wert der gewährten Zuwendungen für das Berichtsjahr abbildet. Die Tabelle gibt ausserdem den Auszahlungsbetrag für einjährige und mehrjährige variable Vergütungen wieder. Diese Zuflüsse können aus Vergütungen stammen, die in den Vorjahren zugesprochen wurden.
Vorstandsvergütung nach HGB: Nach HGB wird eine Vorstandvergütung in dem Jahr angegeben, in dem sie gewährt wird. Die Vergütung gilt als gewährt, wenn eine definitive Zusage erteilt und die zugrunde liegende Leistung erbracht wurde.
Vorstandsvergütung nach IFRS: Die Angaben nach IFRS orientieren sich am Aufwand des jeweiligen Berichtsjahres. Insofern wird z.B. bei einem mehrjährigen Bonus der Aufwand über die Jahre verteilt und zwar zeitratierlich über den gesamten Leistungszeitraum.
Und wie wirken sich diese Unterschiede nun bei der BASF aus? Bei der BASF ist in den Zuwendungen nach DCGK im Falle des Vorstandvorsitzenden Martin Brudermüller sehr schön zu sehen, dass eine einjährige variable Vergütung in Höhe von 1,6 Millionen € (Performance Bonus) und eine mehrjährige variable Vergütung von 2,3 Millionen € (Performance-Bonus und Long-Term-Incentive) als Zuwendungen aufgeführt werden.
In der Aufstellung nach HGB werden dann 3,2 Millionen € Performance-Bonus wieder herausgerechnet. Offensichtlich geht die BASF also beim Performance-Bonus davon aus, dass die Bedingungen für die Zusage des Performance-Bonus noch nicht rechtsverbindlich sind oder die Leistung noch nicht endgültig erbracht ist. Eventuell sind auch bestimmte auflösende oder aufschiebende Bedingungen noch nicht endgültig weggefallen. Gleichzeitig werden aber knapp 1 Million € aus einem (offensichtlich früher zugesagten) Performance-Bonus wieder dazu addiert. Der Versorgungsaufwand fällt in der HGB-Rechnung heraus.
Schaut man sich nun die Zuflussrechnung nach DCGK für den CEO an, dann fällt auf dass einjährige und mehrjährige Vergütungen nur in Höhe von 1,7 Millionen € zugeflossen sind; also in wesentlich geringerem Umfang als unter den Zuwendungen ausgewiesen.
Die Berechnung nach IFRS (zu finden im Konzernabschluss unter Anmerkung 31) ist nicht nachvollziehbar, da die Aufschlüsselung nicht individualisiert nach Vorstandmitgliedern erfolgt. Die Höhe der gesamten Aufwendungen liegt im Bereich der HGB-Angaben.
In ihrem Newsletter International Accounting News gibt PwC ein einfaches Beispiel, wie sich die verschiedenen Berichtsmethoden auswirken: In diesem fiktiven Beispiel wird angenommen, dass ein Geldbonus für einen Leistungszeitraum von drei Jahren anfallen soll. Die Höhe richtet sich nach dem durchschnittlichen EbIT in diesem Zeitraum. Der Zielwert beträgt 300 GE.
In 20×1 wird mit einer Auszahlung am Ende des Leistungszeitraums von 350 GE gerechnet, in 20×2 mit 250 GE und in 20×3 mit 320 GE. Am Ende der drei Jahre werden tatsächlich 320 GE an den Vorstand gezahlt. So stellt sich die Bilanzierung nach den verschiedenen Methoden dar:
Es zeigt sich also, dass selbst bei einem recht simplen Beispiel massive Unterschiede in der berichteten Vergütung auftauchen. Für Investoren ist das ein unakzeptabler Zustand, der auch nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass in jeder Bilanzierungsmethode eben eine andere Perspektive und insofern ein “Teil der Wahrheit” steckt. Eine Harmonisierung erscheint mir dringend geboten.
Die Bilanzierung der Vorstandsvergütung ist also eine verwirrende Sache, mit feinem Understatement ausgedrückt. Es kommt noch dazu, dass die verschiedenen Komponenten, insbesondere Boni oder Incentive-Pläne, teils aktienbasiert, teils cashbasiert, an sich in vielen Fällen schon wenig transparent sind.
Oder wie Sebastian Heintges von PwC in dem o.g. Artikel bemerkt:
„Es wird schnell deutlich: Die Angaben nach IFRS, HGB und DCGK unterscheiden sich in wesentlichen Punkten und sind damit nur bedingt vergleichbar. Im Alten Testament wurde (in anderem Zusammenhang) von babylonischer Sprachverwirrung gesprochen.“
Aus Investorensicht sind die gewährten Zuwendungen nach DCGK und die IFRS-Angaben noch am ehesten verwendbar, um eine Bewertung der Vorstandsvergütung vorzunehmen. Die Zuwendungen nach DCGK geben ein klares Bild, welche Werte einem Vorstand bei Leistungserreichung im Berichtsjahr zugesprochen worden sind (unabhängig vom tatsächlichen Zufluss). Während die IFRS-Zahlen einen pro Zeitperiode präzisierten Blick ermöglicht. Insofern sollten sich Anleger vorwiegend auf diese beiden Perspektiven konzentrieren.
Abschliessend noch eine Bemerkung zur zukünftigen Entwicklung: 2017 hat das Europäische Parlament die so genannte “Zweite Aktionärsrechterichtlinie” der EU verabschiedet. Diese wurde von der Bundesregierung im so genannten ARUG II (Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie) umgesetzt und trat zum 1. Januar 2020 in Kraft. In diesem Gesetz werden börsennotierten Unternehmen zwingende Vorschriften zur Ausgestaltung und Berichterstattung über die Vorstandsvergütung gemacht. Unter anderem ist das Vergütungssystem neu nicht nur auf eine “langfristige” sondern auch auf eine “nachhaltige” Unternehmensentwicklung auszurichten. Insofern sind z.B. auch soziale und ökologische Gesichtspunkte einzubeziehen. Es ist zu befürchten, dass die Einbeziehung aller möglichen sachfremden Erwägungen zu einer weiteren Verkomplizierung und Intransparenz des Vergütungssystems führen wird, die weder im Interesse der Anleger noch der Ökologie ist. Auch im Hinblick auf den Vergütungsbericht müssen zukünftig weitere Punkte einbezogen werden. Die Angaben im Vergütungsbericht sind zukünftig sehr weitgehend: Er enthält z.B. einen Vergleich über 5 Jahre zwischen den Änderungen der individuellen Organ-Vergütung, der Ertragsentwicklung der Gesellschaft und der Vergütung der Arbeitnehmer. Die neuen Vorschriften sind erstmals auf Geschäftsberichte für das Geschäftsjahr ab dem 1. Januar 2021 anzuwenden.
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