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Was Professor Hans-Werner Sinn den Anlegern rät

Heute mal ein eher volkswirtschaftlich angehauchtes Thema: Es geht natürlich um die Inflation. Anlass ist ein Vortrag von Prof. Hans-Werner Sinn am 7. Juni an der Universität in Luzern. Co-Referent war übrigens Prof. Lars P. Feld, ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrates der Bunderegierung oder auch der oberste “Wirtschaftsweise”.

Natürlich ging es in Sinns Vortrag nicht um Tipps für Anleger; schliesslich ist Sinn emeritierter Professor für Volkswirtschaft und ehemaliger Chef des Münchner Ifo-Instituts und kein Vermögensverwalter. Doch im Rahmen des Vortrages und auch in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum und den Podiumsteilnehmern wurde lebhaft diskutiert, was die Inflation für verschiedene Anlageklassen bedeutet.

Doch am Anfang erst einmal die Fakten: Hans-Werner Sinn mahnt ja schon seit Jahren, dass die expansive Geldpolitik der EZB zu hoher Inflation führen kann. Jahrelang hat man ihn dafür ignoriert oder verlacht, da der oberflächliche Beobachter keine Inflation bei den Konsumentenpreisen feststellen konnte. Gewisse Keynesianer haben sogar immer wieder die Angst vor einer Deflation geschürt. Die Preise für Immobilien, Aktien und andere Vermögensgegenstände steigen aber schon seit Jahren, so dass zumindest hier eine Blasenbildung zu beobachten war.

Quelle: Vortrag von Prof. Dr. H.-W. Sinn an der Universität Luzern am 7. 6. 2022

Seit 2011 hat sich die Zentralbankgeldmenge in der Eurozone von rund 1 Billion € auf über 6 Billionen mehr als versechsfacht. Berücksichtigt man noch Faktoren wie das reale Wirtschaftswachstum und die Ausdehnung der Eurozone auf die baltischen Staaten, dann liegt der Faktor immer noch bei über 4. Sinn vergleicht diese ungeheure Ausdehnung der Geldmenge mit Sprengfässern, die erst einmal versteckt liegen, aber durch einen geeigneten Zünder in die Luft gejagt werden können.

Der amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman hat betont, dass Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen ist, also auf die Ausdehnung der Geldmenge zurückgeführt werden kann.  Das heißt aber nicht, dass Geldmengenausdehnung und Inflation synchron verlaufen. Vielmehr kommt es bei der Expansion der Geldmenge zuerst zu einem Effekt des Hortens, der bei Banken, Firmen und Konsumenten stattfindet. Kommt aber irgendwann ein externer Schock dazu, springt die Inflation an und der Teufelskreis der Preissteigerung beginnt. In unserem Fall heißt dieser Schock Corona, denn durch die staatlichen Maßnahmen, die in vielen Ländern gleichzeitig stattfanden, wurde eine schlagartige Verknappung des weltweiten Güterangebots ausgelöst: Grenzschließungen, Reisebeschränkungen, Lock-Downs, Schließung von Häfen und andere Maßnahmen führten zu einer Unterbrechung der Handelsströme. Dieser Angebotsschock ließ die Preise steigen, da nun Unternehmen und Konsumenten auf ihre Geldhorte zurückgriffen, um dringend benötigte Güter einzukaufen. Vorne dabei sind natürlich Unternehmen, die Rohstoffe und Produktionsgüter benötigen und dadurch die Preisspirale anschieben, die dann auf die Konsumenten übergriff und via Lohn-Preis-Spirale inzwischen auch die Löhne anheizt, die wiederum die Erzeugerpreise steigen lassen etc. etc.

Quelle: Vortrag von Prof. Dr. H.-W. Sinn an der Universität Luzern am 7. 6. 2022

Inzwischen liegen daher auch die Erzeugerpreise 33% über dem Vorjahresniveau – ein historischer Rekord, der nicht einmal nach dem 2. Weltkrieg oder während des Ölschocks in den 70er Jahren erreicht wurde. Die Situation – so H.-W. Sinn – ist also nicht nur schlecht, sondern geradezu bedrohlich, insbesondere auch, da die EZB bisher jegliche Gegenmaßnahmen geradezu verweigert. Die Angst, dass die Südländer unter einer ansteigenden Zinslast zusammenbrechen und der Bankensektor wieder in eine existenzbedrohende Krise schlittert ist groß. Wie schlimm die Inflationskrise noch wird, ist aus Sinns Sicht schwer vorherzusagen; dass es keine temporäre Episode bleiben wird, ist aber schon jetzt völlig klar. Wir werden noch viele Monate, wenn nicht Jahre mit der Inflation zu kämpfen haben. Da die EZB (im Gegensatz zur Fed) kaum Gegenmaßnahmen ergreift, ist ein brutales Bremsmanöver mit schnellem, massivem Zinsanstieg, zu einem späteren Zeitpunkt nicht gerade unwahrscheinlich.  Alles in allem keine beruhigenden Aussichten!

Doch was kann der Anleger heute tun? Es ist kaum überraschend, dass auch Sinn bestätigt, dass sich reale Assets wie Aktien, Immobilien oder Gold langfristig auch unter inflationären Bedingungen gut halten. Doch die Betonung liegt hier auf langfristig. Denn wenn die Zinsen steigen, insbesondere wenn sie schnell steigen, ist eine Liquiditätskrise denkbar, die die Banken und Unternehmen in Schwierigkeiten bringen kann. Dann müssen bestehenden Bondportfolios abgewertet werden und die Refinanzierung wird teuer. Der Effekt führt zumindest kurz- und mittelfristig zum Preisdruck auf Aktien, Immobilien und Rohstoffen. Die Börsen brechen dann schnell ein, am Immobilienmarkt ist die Krise nicht so schnell sichtbar, aber unvermeidlich. Wohl den Anlegern, die zu diesem Zeitpunkt in die Märkte einsteigen können! Doch Timing ist bekanntlich Glückssache.

Anleger, die ihr Vermögen in Cash, festverzinslichen Wertpapieren, Sparbüchern oder Pensionskassen angelegt haben, sind am verletzlichsten. Sie trifft die Inflation mit voller Wucht. Deshalb ist gerade die untere Mittelklasse sehr gefährdet, da hier typischerweise wenig Aktien- und Immobilienvermögen liegt.

Mein Fazit: Als langfristig orientierter Anleger empfiehlt es sich eine recht hohe Aktienquote beizubehalten, aber auch ein gewisses Cashpolster vorzuhalten, das kurz- bis mittelfristig zu Nachkäufen genutzt werden kann. Ähnliches gilt sicher im Immobilienbereich, obwohl mir hier die Kompetenz fehlt. Das ist wahrlich kein überraschendes Fazit. Allerdings hat für mich der Vortrag von H.-W. Sinn glasklar dargelegt, wie gefährlich die Inflation heute schon ist und auch keinesfalls eine kurze Episode bleiben wird. Die Anpassung und Nachschärfung meiner Anlagestrategie wird daher schnell und gezielt erfolgen.

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