Kurs (Geld): 4’300 CHF (27. 11. 2019) Market Cap: 123 mSFr KGV (2018): 7.8 Dividendenrendite: 0.8%
Der Markenname Weleda verfügt in Europa über einen hohen Bekanntheitsgrad, doch nur wenige wissen, dass das dahinterstehende Unternehmen über die Schweizer OTC-Börse auch handelbar ist. Die sehr komplexe Kapitalstruktur und der hohe Kurs der Partizipationsscheine führen dazu, dass das Unternehmen für institutionelle Investoren uninteressant ist. Umso mehr lohnt sich ein Blick für den Valueanleger.
Geschichte
Die Geschichte des Unternehmens reicht fast 100 Jahre bis Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Unter Beteiligung des Anthroposophen Rudolf Steiner wurden in der Schweiz die Futurum AG und in Deutschland die Firma “Der kommende Tag AG” gegründet. Beide Firmen wurden dann 1924 zur Weleda AG fusioniert. Der Tätigkeitsbereich lag damals v.a. in der Herstellung homöopathischer Heilmittel, was auch heute noch ein signifikanter, aber nicht mehr der grösste, Geschäftsbereich ist.
Ende 2011 stand das Unternehmen kurz vor der Insolvenz, was auf Misswirtschaft in verschiedenen Bereichen – u.a. bei der Supply Chain – und einer schlechten Corporate Governance zurückzuführen war. Verwaltungsrat und Geschäftsführung wurden komplett ausgetauscht und der Turn-around in den Folgejahren war erfolgreich. Das Unternehmen ist heute führender Anbieter im Bereich von Naturkosmetik in Europa und drittgrösster Anbieter von Babypflege-Produkten in Deutschland.
Die eigentliche Stärke von Weleda liegt in der Kombination einer starken Marke und dem wachsenden Markt für (zertifizierte) Naturkosmetik weltweit. 2018 macht dieses Segment 75% des Umsatzes aus, während homöopathische Arzneimittel nur noch 25% Umsatzanteil erwirtschaften. Dieser Anteil ist schon in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Alleiniger Treiber des Wachstums in Umsatz und Gewinnen ist die Naturkosmetik und hier insbesondere die Märkte ausserhalb der DACH-Region. Dabei stechen v.a. die Märkte in UK, Skandinavien und den USA heraus. Es zeigt sich, dass die globale Penetration der Naturkosmetik noch ein grosses Potenzial eröffnet, während in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine gewisse Sättigung erreicht ist. Auch kontern hier die grossen Drogerieketten, wie beispielsweise DM, mit Eigenmarken in der Naturkosmetik – etwa die Marke “alverde”, die ähnlich positioniert wie Weleda einen deutlich geringeren Preispunkt aufweist.
Bilanzen
Von 2016-2018 konnte die Gesamtleistung des Konzerns von 390 auf 423 m€ (+8.5%) gesteigert werden. Der Net-Profit stieg von 11.5 m€ auf 14.3 m€ (+15.7%). Die Eigenkapitalquote lag Ende 2018 bei 51% und die Eigenkapitalrendite bei 10.7%. Auch beim Free-Cash-Flow sieht es nicht schlecht aus: 9 m€ (2016), 16.5m (2017) und -2.1m (2018). Der negative FCF in 2018 resultiert v.a. aus einem höheren Cash-Aufwand für das Working Capital, insbesondere den gestiegenen Vorräten. Ich gehe davon aus, dass dies ein Begleitumstand des steigenden Wachstums ist. Interessant ist auch, dass in 2018 eine nicht näher umschriebene Rückstellung von 5.5m für zukünftige strategische Projekte gemacht wurde, welche das EBIT entsprechend mindert.
Schaut man auf das operative Ergebnis (EBIT), dann lag dieses 2016 bei 23.9m, 2017 bei 18.7m und 2018 bei 21.1m. Damit schwankt die EBIT-Marge zwischen 4.7% und 6%. Insbesondere die Vertriebs- und Verwaltungskosten haben von 2016 auf 2017 einen überproportionalen Anstieg verzeichnet. Gehr man noch weiter zurück so lag das EBIT in den Jahren davor noch deutlich höher:
2015: 32.9 m€ 2014: 35.1 m€ 2013: 34.0 m€
Allerdings lagen in diesen Jahren die Zinsen und die Finanzbelastungen so wie auch ausserordentliche Belastungen und Steuern deutlich höher. Doch schauen wir uns einmal eine meiner Lieblingskennzahlen an, die “Owner Earnings” oder Eigentümergewinne nach Buffett (in Klammern die Zahlen für 2017):
Nettogewinn: 14.3m (12.96m)
+Abschreibungen und Amortisation: +9.3m (+10.1m)
+ sonstige „Non-cash“ charges: +2.1m (6.8m) (Veränderung der Rückstellungen)
— Erhaltungsinvestitionen: -9.4m (-11.6m)
+/– Zu- oder Abnahme des Working Capital: – 20.8m (+2.4m)
= Eigentümergewinn -4.5m (20.7m)
Hier zeigt sich also eine deutlich grössere Schwankungsbreite aufgrund der Veränderungen im kurzfristigen Betriebsvermögen. Geht man nach Warren Buffets Formel vor und teilt diesen Eigentümergewinn (Mittelwert aus 2018 und 2017) durch die Kapitalkosten (angenommen 9%), so erhält man einen potentiellen inneren Wert von 180 m€ (198 mSFr). Ein Wert, der deutlich über der Marktkapitalisierung von rund 120 mSFr liegt. Auch andere Bewertungskennzahlen wie der KGV (7.8) und KBV (0.8) zeigen, dass das Unternehmen am Markt nicht überbewertet wird.
Die Eigenkapitalquote von über 50% und der vorhandene Cash von 35.8 m€ bei null Finanzschulden zeigen die inzwischen hohe Stabilität der Bilanz. Ein gewisses Fragezeichen ist bei der Rückstellungspolitik zu setzen. Stand Ende 2018 gibt es über 44 m€ sonstige Rückstellungen. Diese steigen Jahr für Jahr an, da Zuführungen die Auflösungen übersteigen. Unklar bleibt wofür diese Rückstellungen gebildet werden und wann mit einer erfolgswirksamen Auflösung zu rechnen ist.
Managementqualität
Wie schon oben erwähnt, wurde der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung nach der Krise 2011/12 komplett ausgetauscht. Das neue Management unter CEO Ralph Heinisch warf das Ruder herum und konnte Weleda erfolgreich sanieren. Heinisch hat das Unternehmen 2017 wieder verlassen. Die Konzernleitung arbeitet seither als kollegiales Gremium ohne CEO. Im September 2019 hat der Chief Commercial Officer Andreas Sommer nach 22 Jahren das Unternehmen verlassen.
Bei der Sanierung des Unternehmens hat Heinisch auch Kompromisse gemacht: So wurde die (immer noch) defizitäre Arzneimittelsparte nicht komplett abgestossen, sondern nur verkleinert. Ein Verkauf oder eine Schliessung dieser Sparte hätte den Markenkern und die Identität des Unternehmens im Mark getroffen.
Informationen zur Beteiligung des Managements an der Firma und zur Kompensation sind nicht verfügbar. Allerdings weist die Anteilseignerstruktur darauf hin, dass die Ankeraktionäre mit Stimmrecht sehr langfristig orientiert sind.
Schauen wir uns mal für 2018 einige Kennzahlen an, die die Effizienz des Managements messen können (in Klammern die 2017 Zahlen).
RoA (Return on Average Total Assets):
Weleda AG: 5.5% (5.2%)
Zum Vergleich ist es interessant, die Zahlen des Beiersdorf-Konzerns azuschauen. Zwar ist Beiersdorf umsatzmässig wesentlich grösser, doch ist die Produktpalette in einer ähnlichen Kategorie (Kosmetika, Pflegeprodukte usw.).
Beiersdorf AG RoA: 8.5% (8.5%)
Dies zeigt – auf den ersten Blick – dass Beiersdorf eine etwas höhere Profitabilität auf die gegebenen Aktiva erzielt. Doch wo liegt die Ursache dieser Differenz? Ein Blick auf die DuPont-Formel hilft.
DuPont-Formel:
Mit Hilfe dieser Formel können wir feststellen, aus welchen Komponenten ein Unternehmen seine Rendite erzielt.
Eigenkapitalrendite RoE = Nettomarge x Asset Turnover x Financial Leverage
2018: 10.7% = 3.5% x 1.6 x 1.96 (kleiner Rundungsfehler) 2017: 10.9% = 3.2% x 1.6 x 2.14
Als Vergleich schauen wir uns die 2018 DuPont-Zahlen für die Beiersdorf AG an:
12.95% = 10.1% x 0.82 x 1.58 (kleiner Rundungsfehler)
Es zeigt sich, dass Beiersdorf eine wesentlicih höhere Marge für seine Produkte erzielen kann, aber gleichzeitig beim Asset Turnover eine geringere Effizienz als Weleda hat. Die Financial Leverage ist ähnlich. Einfach ausgedrückt: Mit den gegebenen Kapitalgütern erzielt Weleda deutlich mehr Umsatz, der aber eine schlechtere Nettomarge aufweist. Meine Hypothese lautet, dass insbesondere die Arzneimittelsparte auf die Marge drückt. Neben der erfolgreichen Fortsetzung der Internationalisierungsstrategie liegen hier die wichtigsten Hausaufgaben des Managements. Positiv ausgedrückt könnte man auch sagen, dass Weleda beim Gewinn noch deutlich Luft nach oben hat.
Ein weiteres Mass für den Erfolg des Managements ist die Steigerung des Bchwertes pro Aktie über einen 5-Jahres-Zeitraum im Vergleich zu einem Benchmark-Index. Zwischen Ende 2013 und 2018 konnte Weleda den Buchwert um 9.2% annualisiert steigern – nach Ausschüttung der Dividende. Der SMIM Total Return zeigte im gleichen Zeitraum eine Performance von 8.1% pro Jahr. Dieser Test zeigt, wie das Management den inneren Firmenwert über die Markt-Performance hinaus steigern konnte.
Anteilseigner
Interessant ist die Kapitalstruktur der Weleda AG. Diese besteht aus
Namensaktien nominal CHF 1’000.– mit 3’478 Stück
Namensaktien nominal CHF 112.50 mit 6’880 Stück
Namensaktien nominal CHF 125.– mit 3’984 Stück
Partizipationsscheine nominal CHF 500.– mit 19’000 Stück
Die Namensaktien sind nicht börsenkotiert und können auch nicht OTC erworben werden:
“Die Namensaktien der Weleda AG dürfen nur mit schriftlicher Zustimmung des Verwaltungsrates der Gesellschaft übertragen werden. Der Verwaltungsrat kann gemäss Statuten Paragraph 6 die Übertragung verweigern, wenn der vorgesehene Erwerber nicht Mitglied der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, Dornach (Kanton Solothurn/ Schweiz), ist und somit nicht hinreichend dokumentiert, dass er die anthroposophische Zielsetzung der Weleda AG als berechtigt anerkennt und unterstützt (…)
Nut die Partizipationsscheine sind an der OTC-Börse handelbar und zwar unter der Valorennummer 496018. Rechnet man das gesamte Eigenkapital pro rata in Partizipationsscheine um, so ergibt sich ein Kapital von 28’500 Stück PS und eine entsprechende Marktkapitalisierung von rund 123 mSFr.Die Eigentümer der Partizipationsscheine haben ein Anrecht auf Dividende, aber kein Stimmrecht als Aktionäre. Es handelt sich also um ein ähnliches Konstrukt wie bei so genannten Vorzugsaktien.
Das geringe Handelsvolumen am OTC-Markt führt dazu, dass die Partizipationsscheine nicht allzu starken Schwankungen unterworfen sind, allerdings ist es fast unmöglich grössere Positionen schnell zu liquidieren. Ein Umstand, welcher institutionelle Investoren fernhält und langfristig orientierten Privatanlegern in die Hände spielt.
Fazit
Zusammenfassend stehen bei Weleda die starke Marke, der attraktive Kernmarkt und die interessanten Wachstumsaussichten im Ausland sowie die günstige Bewertung auf der Habenseite. Negativ sehe ich die geringe Marge bei den Arzneimitteln, welcher sich mittelfristig durch Schrumpfung dieses Geschäftsbereichs aber weniger und weniger in der GuV bemerkbar machen dürfte. Die starken Schwankungen im Umlaufkapital sollten zukünftig genau beobachtet werden. Auch ist jede Internationalisierungsstrategie für einen Mittelständler wie Weleda mit entsprechenden Länderrisiken behaftet. Der Rückgang des EBIT zwischen 2014 und 2017 ist ein Grund zur Sorge. Der Anstieg von Vertriebs- und Verwaltungskosten drückt auf die operative Marge.
Last but not least sollte die niedrige Ausschüttung erwähnt werden. In Anbetracht der hohen Cash-Reserven sollte der Verwaltungsrat eine höhere Dividende anstreben oder alternativ darlegen, wie die Barmittel wertsteigernd investiert werden können.
Disclosure: Der Autor hält zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels eine Long-Position der Weleda AG. Der obige Artikel stellt weder eine Kauf- noch eine Verkaufsempfehlung dar und gibt lediglich die persönliche Meinung des Autors zum Erstellungszeitpunkt wider.
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