Thyssenkrupp ächzt unter seinen Schulden. Bis Ende 2019 hat der Konzern Finanzschulden von über 6,7 Mrd. Euro angehäuft. Abzüglich der Barbestände bleiben noch über 4,6 Mrd. Euro Nettoschulden. Dazu drücken Pensionsverpflichtungen von 8,6 Mrd. Euro. Das Eigenkapital liegt bei mageren 1,9 Mrd. Euro und die Eigenkapitalquote bei anämischen 5,3%. Der operative Cashflow deckt nicht einmal die Zinszahlungen. Das ganze ist schon seit Jahren ein Trauerspiel. Eigentlich müsste Thyssenkrupp schon lange in seine Einzelteile zerlegt und an Investoren für kriselnde Assets verkauft worden sein.
Thyssenkrupp-Aktie seit 2015.
Doch Thyssenkrupp ist kein Einzelfall. Überschuldete Firmen mit schwachem Geschäftsmodell und schlechtem Management leben immer länger. Die immer weiter sinkenden Zinsen erlauben eine fortwährende Erhöhung der Kreditaufnahme zu günstigsten Konditionen, die den Schwerkranken am Tropf weiter versorgt.
Ryan Banerjee von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sagt:
Der Anteil von Zombiefirmen ist von 2% in den 1980er Jahren auf ungefähr 12% heute angewachsen.
Besonders in Europa ist das Problem ausgeprägt, was wenig verwundert, wenn man die radikale Null- und Negativzinspolitik der EZB in den letzten Jahren verfolgt hat. In einem Paper vom Oktober 2019 haben Wissenschaftler verschiedener Universitäten das Phänomen in Europa untersucht. Unter dem Titel “Zombie Credit and (Dis-)Inflation: Evidence from Europe” kommen sie zum Schluss, dass
This rise of the zombies is mainly driven by more low-quality firms getting cheap credit at very low interest rates, and not by firms that already enjoy access to cheap credit getting worse in quality.
Der Effekt dieser quasi künstlich am Leben erhaltenen Firmen auf die Gesamtwirtschaft besteht zum einen darin, dass es zu einer Fehlallokation von Kapital kommt und damit das Produktivitätswachstum gebremst wird. Kapital fliesst über das Banksystem oder als Junkbonds an Firmen, die ein wenig produktives oder auch kein innovatives Geschäftsmodell haben. Aber nicht nur das Kapital ist betroffen, auch andere Ressourcen, wie z.B. gut ausgebildete Mitarbeiter, bleiben in Firmen hängen, die wenig Perspektive bieten. Die niedrigen Zinsen führen also zu niedrigem Produktivitätswachstum – auch dies lässt sich in den letzten Jahrzehnten in Europa gut beobachten.
Ein weitere Effekt ist die niedrige Inflation, welche ja angeblich mit den niedrigen Zinsen von der EZB bekämpft werden soll. Das oben genannte Paper führt dazu aus:
We show that cheap credit to impaired firms has a disinflationary effect. By helping distressed firms to stay afloat, this “zombie credit” creates excess production capacity that, in turn, puts downward pressure on markups and product prices.
Das ganze führt zu einer gesamtwirtschaftlichen Stagnation, wie man sie z.B. schon lange in Japan besichtigen kann. Fremdkapital ist schon längst kein knappes Gut mehr. Investoren suchen händeringend nach Rendite und scheuen sich nicht, ihr Geld an schlechte Firmen zu verleihen, um vielleicht ein paar Basispunkte Extrarendite zu machen. Oder es treibt sie die Hoffnung, dass die Zentralbank die Zinsen noch weiter in den Negativbereich sinken lässt und so der Kurs der Junkbonds weiter steigt. Ein Trade, der in den letzten Jahren oft genug funktioniert hat.
Investoren sollten jedoch genau hinschauen: Unter der Oberfläche häufen sie in ihrem Portfolio – ob mit Aktien oder Bonds – massive Risiken an. Der Kreislauf aus immer niedrigeren oder negativeren Zinsen kann nicht ewig fortgesetzt werden. Was dies für den Fortbestand von Zombiefirmen bedeutet, lässt sich leicht ausrechnen: Sie werden schliesslich doch noch in ihr wohlverdientes Grab sinken.
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